Archiv


Bereits ein Piekser reicht aus

Medizin.- Im Juli haben sich die Bundesländer darauf geeinigt, 50 Millionen Impfdosen gegen die Schweinegrippe zu bestellen – ausreichend für 25 Millionen Bürger, weil jeder ursprünglich zweimal geeimpft werden sollte. Doch nach neuesten Erkenntnissen reicht eine Dosis vollkommen aus.

Von Marieke Degen |
    Als Rino Rappuoli, Forschungsleiter von Novartis Vaccines and Diagnostics, vor knapp zwei Wochen die ersten Studienergebnisse zum firmeneigenen Schweinegrippe-Impfstoff auf den Tisch bekam, konnte er es kaum glauben.

    "Es war eine große Überraschung, dass bereits eine Dosis unseres Impfstoffs vor dem Virus schützt - nicht zwei Dosen, wie wir bislang alle dachten. Das sind wirklich tolle Neuigkeiten. Jetzt sind wir in der Lage, die Menschen sehr schnell vor dem Virus zu schützen, nämlich innerhalb von einer Woche, und wir können viel mehr Menschen impfen, als wir dachten."

    Eine Spritze also statt zwei. Doch das ist noch nicht alles. Die Einmal-Impfung kommt offenbar auch mit viel weniger Impfstoff aus, also mit einer kleineren Menge an Virusbestandteilen. Ein Viertel der ursprünglich anvisierten Menge reicht aus, 3,75 Mikrogramm statt 15 Mikrogramm pro Impfung. Darauf haben mittlerweile zwei Studien, eine britische und eine australische, hingewiesen. Mit der gleichen Menge an Impfstoff ließen sich also möglicherweise viermal mehr Menschen immunisieren.

    "Wir haben in unseren Studien verschiedene Dosen miteinander verglichen. 15 Mikrogramm, 7,5 Mikrogramm und 3,75 Mikrogramm. Bei den 3,75 Mikrogramm hatten wir bereits eine sehr gute Immunantwort. Nach einer Woche waren mehr als 80 Prozent vor dem Virus geschützt, noch etwas später mehr als 90 Prozent."

    Der Impfstoff von Novartis enthält zusätzlich Adjuvantien. Das sind Hilfsstoffe, die die Reaktion des Immunsystems verstärken. Die Adjuvantien seien auch ein Grund dafür, warum die niedrig dosierte Impfung so wirksam ist, sagt Rappuoli. Genau dieser Impfstoff soll in Deutschland eingesetzt werden. Aber auch von einer herkömmlichen Vakzine ohne Hilfsstoffe reicht eine einzige Dosis aus. Eine entsprechende Studie ist ebenfalls am Wochenende veröffentlicht worden. Die Probanden sprechen generell sehr gut auf die verschiedenen Impfungen an. Und das deute darauf hin, dass es doch schon eine gewisse Grundimmunisierung in der Bevölkerung gebe, sagt Reinhold Schmidt. Der Immunologe ist Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats vom Paul-Ehrlich-Institut, der deutschen Zulassungsbehörde für Impfstoffe.

    "Ja, vermutet wurde das vom klinischen Verlauf ja schon länger, dass wir eine Grundimmunisierung haben, jetzt gibt’s erste wissenschftlich begründete Daten, einmal sind welche gerade publiziert worden aus den USA, die zeigen, dass Kinder keine, aber im höheren Alter dann doch eine entsprechende Immunität haben, und es gibt auch in Deutschland offenbar laufende Studien, die darauf hindeuten, dass auch bei uns eine Grundimmunität vorliegt bei einigen. Insbesondere bei älteren Teilen der Bevölkerung."

    Denn neben der Schweinegrippe H1N1 gibt es auch einen saisonalen H1N1-Grippevirus. Virusbestandteile des saisonalen H1N1 sind in der ganz normalen Grippeimpfung enthalten. Möglicherweise haben Menschen, die sich gegen die saisonale Grippe impfen ließen, deshalb auch schon einen Grundschutz gegen die Schweinegrippe. Obwohl beide Viren nur ganz am Rande verwandt sind. Eine einzige Dosis der Schweinegrippe-Impfung könnte deshalb ausreichen, um den Impfschutz perfekt zu machen. Es ist allerdings noch nicht klar, ob das wirklich auf alle Menschen zutrifft.

    "Wir wissen im Moment noch nicht, wie lange die einmalige Impfung wirklich vorhält. Ob wir nach zwei Monaten eine Auffrischung brauchen. Wir können auch noch nicht sagen, ob die Einzeldosis auch dann noch schützt, wenn sich das H1N1-Virus leicht verändert haben könnte. Mit Hilfe der Adjuvantien müsste das eigentlich klappen, aber wir wissen es eben noch nicht. Außerdem gehe ich davon aus, dass kleine Kinder und chronisch Kranke zwei Dosen brauchen. Da müssen wir die Daten erst noch abwarten."

    Die ersten paar Millionen Impfungen von Novartis seien jedenfalls fertig, sagt Rino Rappuoli. Wenn das Paul-Ehrlich-Institut sein OK gebe, könne der Impfstoff in Deutschland ausgeliefert werden. Wie hoch die einzelne Dosis aber letztendlich sein wird, darüber muss das Paul-Ehrlich-Institut entscheiden.