Es könnte eine ganz normale Autospur sein, die über sandigen Boden führt, der links und rechts mit großen Steinen gespickt ist. Tatsächlich aber stammt das Bild, das nun im Fachmagazin "Science" veröffentlicht wurde, vom Meeresgrund der Tiefsee. Die kartoffel- bis salatkopfgroßen Steine sind Manganknollen. Begehrte Klumpen mit vergleichsweise hohe Mengen an Nickel, Kobalt, Kupfer und Mangan. Ein Roboter hat sie auf seinem Weg durch das Knollenfeld ähnlich einer Erntemaschine eingesammelt und eine kahle Spur hinterlassen. Sie sieht aus, als stamme sie aus der letzten Woche, dabei ist sie das Ergebnis eines probeweisen Abbaus von Manganknollen vor 26 Jahren.
"Wir wissen, dass der Bergbau in den Ozeanen lokal sehr viel Schaden anrichtet. Es gibt riesige Gebiete, die bereits zur Erkundung der Rohstoffvorkommen vergeben wurden und die schließlich durch den Bergbau beeinträchtigt werden. Entscheidend ist, dass wir die Bergbau-Aktivitäten so managen, dass auch bei lokalem Schaden zumindest auf regionaler Ebene die Biodiversität und ein funktionierendes Ökosystem erhalten bleibt."
Craig Smith ist Tiefsee-Biologe an der Universität von Hawaii und weiß zumindest ungefähr, was der Bergbau in einigen tausend Metern Tiefe anrichtet. Während sich Hydrothermalquellen, also mineralreiche Unterwasser-Geysire, nach dem Abbau von abgelagerten Rohstoffen relativ schnell erholen, sind Manganknollen über Millionen von Jahren gewachsen, und werden sich zumindest in menschlichen Zeitmaßstäben nie wieder neu bilden. Auch die Fauna, die im Meeresboden lebt, wird durch das regelrechte Pflügen des Bodens vermutlich auf Jahrzehnte gestört.
"Als Tiefsee-Biologe würde ich mir natürlich wünschen, dass es den Tiefsee-Bergbau nie geben würde. Aber die Gesellschaft muss hier Nutzen und Schaden gegeneinander abwägen. Ich denke, der Tiefsee-Bergbau ist nicht zu verhindern. Und daher ist es wichtig, dass er so geregelt wird, dass es auf regionaler Ebene nicht zum Artensterben kommt."
Regeln, wie der Abbau ablaufen soll, um etwa die Aufwirbelung von Sediment oder auch die Lärmerzeugung möglichst gering zu halten, gibt es noch nicht. Dafür gibt es ein erstes Netzwerk an Schutzgebieten, das Craig Smith erarbeitet und das die Internationale Meeresbodenbehörde seinen Angaben nach weitgehend unverändert übernommen hat. Allerdings gibt es diese Schutzgebiete nur in der sogenannten Clarion-Cliperton-Zone, ein rohstoffreiches Gebiet im Pazifik, das ungefähr die Größe der USA hat.
"Es werden derzeit so viele Lizenzen zur Erkundung von Gebieten vergeben, dass es wirklich wichtig wäre, die Schaffung von Schutzzonen in diesen Prozess zu integrieren. Andernfalls wird es später kaum noch möglich sein, die Schutzzonen dort einzurichten, wo sie aus wissenschaftlicher Sicht sinnvoll wären, weil es schon zu viele Erkundungs-Lizenzen gibt."
Vor diesem Problem stand Smith bereits bei der Clarion-Clipperton-Zone, weil auch hier Gebiete zu Erkundung an Länder oder Unternehmen freigegeben worden waren, die der Wissenschaftler zumindest in Teilen lieber als Schutzzonen gesehen hätte. Auch Deutschland hat hier seit 2006 eine Lizenz zur Erkundung eines Gebiets, das in etwa so groß ist wie Schleswig-Holstein und Niedersachsen zusammen. Craig Smith will solches Interesse an den Tiefsee-Rohstoffen nicht verteufeln. Er und seine Kollegen mahnen lediglich an, die Schäden des Bergbaus und damit auch die Schäden am Erbe der Menschheit möglichst gering zu halten.
"Die Tiefsee mag auf die meisten Menschen öde und leer wirken. Aber tatsächlich ist sie ein unheimlich wichtiges Reservoir für Biodiversität. Sie übernimmt auch wichtige Aufgaben für unser Ökosystem, indem sie etwa das CO2 speichert, das wir in die Atmosphäre pusten. Deshalb müssen wir vorsichtig sein. Die Tiefsee ist das unberührteste Ökosystem auf unserem Planeten und wir haben jetzt die Möglichkeit, dieses Ökosystem vernünftig zu managen und zu bewahren – anders als wir es an Land getan haben."
Bisher ist der Druck auf die Internationale Meeresbodenbehörde noch nicht allzu groß, weil ein Abbau der Tiefsee-Rohstoffe bei den derzeitigen Rohstoffpreisen noch nicht rentabel wäre. Doch Craig Smith rechnet damit, dass in fünf bis zehn Jahren die ersten Abbaulizenzen vergeben werden. Und dann kann der Rohstoffmarkt schon wieder ganz anders aussehen. Insofern hoffen der Biologe und seine Kollegen, dass ihr Appell bei dem derzeitigen Treffen des Rates auf Jamaika Gehör findet.