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Bergsicherung im Erzgebirge
Aufräumen unter Tage

Bergbauregionen haben ihre besonderen Probleme: Immer wieder stürzen dort Gänge und Stollen ein, auf der Erdoberfläche bilden sich Krater. Dann ist die Bergsicherung gefragt. Die saniert den Altbergbau: Harte Arbeit, bei der die Mitarbeiter oft in engen Schächten tief unter der Erde unterwegs sind.

Von Iris Milde |
    Besucherbergwerk Markus Schlemmer-Stollen - Zeugnisse aus der Zeit des Silber- und Kobaltbergbaus und des Uranabbaus in der DDR-Zeit.
    Erbe des Silberbergbaus - und des Uranabbaus der DDR-Zeit: Alte Stollen und Gruben verursachen oft Einstürze und Tagebrüche (imago / Rainer Weisflog)
    Ein Schacht. Zwei mal zwei Meter breit. Neun Meter tief. Zwei Monate zuvor gab in einer engen Gasse mitten in der Altstadt von Schneeberg die Erde nach. Pflastersteine fielen in die Tiefe, Erdkabel hingen in der Luft.
    "Wir haben jetzt hier oben angefangen bei dem Bruch, das auszuschachten, auszubauen, die ersten zwei Meter. Danach alles rundherum betoniert, den Schachtkranz, dass die Lockermassen oben fest sind. Jetzt brauchen wir bloß noch Masse rausholen. Und jetzt geht es noch acht Meter runter und dann kommen wir unten auf eine Strecke, voraussichtlich".
    Wenn die Erdoberfläche einbricht
    Eine Strecke ist in der Bergmannssprache ein unterirdischer Gang. Frank Nikoll ist seit 44 Jahren Bergmann. Er steht am Grund des Schachts und schaufelt Erde und Geröll in einen Eimer. Wenn der voll ist, zieht ihn sein Kollege an die Oberfläche.
    "Also, hier weiß kein Mensch, was drunter ist".
    "Sie fühlen sich noch sicher?"
    "Ja, nach so vielen Jahren habe ich kein Problem!", lacht Bergmann Frank.
    Allein in Sachsen gibt es zwischen 150 und 200 Tagebrüche pro Jahr. Mit Abstand die meisten davon im Erzgebirge, das sich im Mittelalter zum Zentrum des mitteleuropäischen Bergbaus entwickelte. Gewonnen wurden vor allem Silber-, Kupfer- und Zinnerze. Zuletzt suchte bis in die 50er Jahre hinein die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut nach Uranerzen.
    "Die Bergsicherung Schneeberg ist 1957 gegründet worden. Das war die Zeit, als die SDAG Wismut ihre Gewinnungsarbeiten hier in Schneeberg eingestellt hatte. Ja, da kam es natürlich darauf an, zu verhindern, dass die Haldenschüttungen auf Straßen abrutschten, in Bäche abrutschten, dass verhindert wurde, dass Menschen in offene Grubenbaue stürzten. Die Wismut hat ihre Bergbaubetriebe so verlassen, wie sie sie aufgefahren haben und da gab es natürlich eine besonders hohe Gefahr für die Bevölkerung in Schneeberg."
    Firmen-Odyssee nach der Wende
    Bernd Schönherr ist der Geschäftsführer der Bergsicherung Schneeberg. Sein Büro gleicht einem kleinen Heimatmuseum: Räuchermänner, Grubenlampen und Mineralien, wohin man schaut. Kurz nach ihrer Gründung wurde die Bergsicherung in einen Volkseigenen Betrieb umgewandelt und beschäftigte zeitweise bis zu 400 Mitarbeiter. Dann kam die Wende.
    "Unsere damalige Geschäftsleitung hat also erkannt, dass dieser Status eines VEB ein Riesenproblem darstellt, wegen der Treuhand. Den Herren ist es damals noch gelungen, den Status noch zu DDR-Zeiten umzuwandeln in eine Einrichtung des Rates des Bezirks Karl-Marx-Stadt. Wir wurden also dem Zugriff der Treuhandanstalt entzogen und das war für die Bergsicherung ein Riesenvorteil."
    Dennoch scheiterten Versuche der Mitarbeiter, ihre eigene Firma zu übernehmen. Stattdessen begann eine Odyssee unter dem Dach wechselnder Großkonzerne. Seit 2001 gehört die Bergsicherung zum Unternehmensverbund eines privaten Eigentümers. Und auch die Mitarbeiterzahl hat sich konstant bei rund 100 Beschäftigten eingepegelt. Auftraggeber ist in der Regel die öffentliche Hand, da sich der Freistaat Sachsen dazu bekannt hat, für die Hinterlassenschaften des alten Bergbaus aufzukommen. Der Umsatz der Bergsicherung Schneeberg liegt bei rund 10 Millionen Euro im Jahr.
    "Unsere Hauptgeschäftsfelder sind die Sanierung des stillgelegten Altbergbaus, des stillgelegten Wismut-Altbergbaus. Dann sind wir auf dem Gebiet des Baus tätig. Wir haben eine eigene Bauabteilung, führen dort Hochbauarbeiten durch, Tiefbauarbeiten. Wir haben eine kleine Bohrabteilung und wir sind auch auf dem Gebiet der Vermessung tätig mit unserer eigenen Markscheiderei".
    Nachwuchs schwer zu finden
    Schönherr ist selbst gelernter Markscheider, also Vermesser unter Tage. Die meisten seiner Kollegen sind Bergmänner. Frauen arbeiten nur in der Verwaltung. Zurzeit bildet die Firma drei Lehrlinge für den Eigenbedarf zum Bergmaschinenmann aus. Aber auch in einer traditionellen Bergbauregion ist Nachwuchs schwer zu finden.
    "Sein ganzes Leben unter Tage, im Dunkeln, unter Verhältnissen zu arbeiten, wo man immer mit Wasser konfrontiert ist, im Schlamm arbeiten muss, körperlich anstrengende Arbeit verrichten muss. Früher hieß es ja mal: Ich bin Bergmann, wer ist mehr? Also die Zeiten sind längst vorbei".
    Nicht alle Baustellen der Bergsicherung sind so eng, dass nur mit Hacke und Schaufel geschachtet werden kann. In der Regel wird auch im Berg mit schwerer Technik gearbeitet.
    Jede neue Baustelle eine "Blackbox"
    Ausstaffiert mit Wattejacke, Stiefeln und Bauhelm geht es in einem frei hängenden Förderkorb durch einen betonierten Schacht senkrecht in die Tiefe. Auf knapp 100 Metern unter der Tagesoberfläche öffnet sich der Schacht zu einer großen Höhle, von der aus an beiden Seiten Gänge ins Dunkle führen. Wir befinden uns im historischen Fürstenstollen, einer von rund 200 namentlich bekannten Gängen unter der Stadt Schneeberg.
    "Das ist angefangen worden im 16. Jahrhundert und wo wir jetzt uns befinden, da ist in der Wismutzeit nochmal nachgefahren worden wegen der Suche nach Uranerz", sagt Vorarbeiter Lutz Friedrich, der sich mit einem kleinen Bagger ins Erdreich wühlt.
    "Als nächstes teufen wir weiter auf den Marcus-Semmler-Stollen. Dort, wo dann die Sanierung wegen Wasser von statten geht. Unten sind verschiedene Stellen zugebrochen. Das heißt Wasserrückstau und damit besteht auch eine gewisse Gefahr."
    Jede neue Baustelle sei wie eine Blackbox, so Geschäftsführer Schönherr, man wisse nie, was einen im Berg erwartet. Sicher ist er sich aber, was die Zukunft der Bergsicherung Schneeberg betrifft, die in diesem Jahr ihr 60-jähriges Bestehen feiert.
    "Sicher wird es so sein, dass der Anteil an Sanierungsarbeiten rückläufig ist. Man kann auch fast 1.000 Jahre Bergbau nicht innerhalb von 60 Jahren sanieren. Aber ich denke, die Bergsicherung wird dann so viele andere Tätigkeitsfelder auch erschließen, so dass für die Zukunft der Bergsicherung keine Gefahr besteht. Also, wir blicken wirklich optimistisch in die Zukunft".
    Immerhin feiert die Bergsicherung Schneeberg im Jahr 2017 ihr 60jähriges Bestehen.