Die Nacht vom 2. auf den 3. Juli 1953 ist eisig kalt. Das Thermometer fällt auf unter minus 20 Grad. Der Wind rüttelt und zerrt an dem kleinen Sturmzelt, das in fast 7.000 Metern Höhe am Berg klebt. Hermann Buhl kann nicht schlafen. Seit Tagen kreisen die Gedanken des 28-jährigen Bergsteigers nur noch um ein Ziel: Wird er der Erste sein, dem es gelingt, den Gipfel des Nanga Parbat zu besteigen? Die Zeit drängt. Wegen des immer schlechter werdenden Wetters droht auch diese Expedition auf den "Schicksalsberg der Deutschen" zu scheitern. Zwölf deutsche Bergsteiger und zahlreiche Sherpas haben auf dem extrem schwer zu bezwingenden Achttausender bereits ihr Leben verloren.
Hermann Buhl packt in aller Eile das Nötigste in einen Rucksack und lässt seinen Kameraden Otto Kempter im letzten Zwischenlager vor dem Gipfel allein zurück.
"Ab 7.500 Meter tritt man in die sogenannte Todeszone ein. Also, wo man durch die dünne Luft eben schon derart mitgenommen ist, dass jeder Schritt eine kolossale Anstrengung bedeutet. Eine Willenskraft."
"Ab 7.500 Meter tritt man in die sogenannte Todeszone ein. Also, wo man durch die dünne Luft eben schon derart mitgenommen ist, dass jeder Schritt eine kolossale Anstrengung bedeutet. Eine Willenskraft."
Anderthalb Monate Vorbereitung
Anderthalb Monate lang hatte eine elfköpfige Expedition den Gipfelsturm vorbereitet. Fünf erstklassige Sherpas waren engagiert, doch der überforderte Expeditionsleiter Karl Herrligkoffer vergaß sie abzuholen. Nun mussten neun Tonnen Gepäck unter Mithilfe von 270 unerfahrenen, einheimischen Trägern in fünf Zwischenlager auf dem Weg zum Gipfel verteilt werden.
Trotz der teilweise chaotischen Organisation war es Hermann Buhl bereits am 12. Juni zusammen mit Walter Frauenberger gelungen, bis zum Lager IV auf 6.700 Meter aufzusteigen. Dort mussten die beiden jedoch nach einem gewaltigen Schneesturm, der vier Tage lang nicht nachließ, umkehren. Zweieinhalb Wochen später, kurz vor Beginn der Monsunsaison, unternimmt Hermann Buhl nun also einen letzten Versuch.
"Und hab' mich immer wieder, Schritt für Schritt, eben diesen langen Weg empor gekämpft."
"Und hab' mich immer wieder, Schritt für Schritt, eben diesen langen Weg empor gekämpft."
17 Stunden vom letzten Basislager bis zum Gipfel
Gegen Abend des 3. Juli steigt er allein bis auf 8060 Meter auf. Noch 65 Meter bis zum Gipfel. Wegen der bald hereinbrechenden Dunkelheit packt ihn Verzweiflung. Wird diese Tortur niemals enden? Der letzte Schluck Coca-Tee gibt ihm, wie Ralf-Peter Märtin in seinem Buch "Nanga Parbat - Wahrheit und Wahn des Alpinismus" schreibt, noch etwas Energie. Eine Stunde später kriecht Hermann Buhl auf allen Vieren, ein Wrack von einem Menschen, auf den Gipfel.
"Insgesamt 17 Stunden war ich seit dem Lager V unterwegs und habe dann um sieben Uhr abends den Gipfel des Nanga Parbat betreten, wohl in einer Verfassung, in einer Stimmung, dass ich es selbst gar nicht glauben konnte. Habe wohl nichts von Glück oder von dem Gefühl des Sieges in mir verspürt, sondern war nur froh, dass all die Strapazen endlich ein Ende hatten."
Gut einen Monat, nachdem es Edmund Hillary auf den Gipfel des Mount Everest, des höchsten Berges der Erde, geschafft hatte, steht Hermann Buhl auf der Spitze des schwer zugänglichen Felsgiganten im westlichen Himalaja. Mit letzter Kraft befestigt er als Zeichen seines Sieges zwei Flaggen am Stil seines Eispickels, den er dort oben in den Fels bohrt: eine Pakistanische und die seines österreichischen Klettervereins.
Gut einen Monat, nachdem es Edmund Hillary auf den Gipfel des Mount Everest, des höchsten Berges der Erde, geschafft hatte, steht Hermann Buhl auf der Spitze des schwer zugänglichen Felsgiganten im westlichen Himalaja. Mit letzter Kraft befestigt er als Zeichen seines Sieges zwei Flaggen am Stil seines Eispickels, den er dort oben in den Fels bohrt: eine Pakistanische und die seines österreichischen Klettervereins.
Beim Abstieg drohte der Absturz
Beim Abstieg ist Hermann Buhl völlig entkräftet. Um Zeit zu sparen, klettert er eine steile Eisrinne hinab, in der er ohne seinen Pickel fast abstürzt. Trotz der Abkürzung wird Hermann Buhl von der hereinbrechenden Nacht überrascht. Acht Stunden harrt er in eisiger Kälte, ohne Verpflegung und Seil, stehend auf einem schmalen Felsvorsprung in einer steilen Felswand aus. Wie durch ein Wunder ist er bei Sonnenaufgang noch am Leben. Mithilfe von Pervitin-Tabletten, die deutsche Soldaten im Krieg gegen Müdigkeit und Angst schluckten, erreicht er 41 Stunden nach seinem Aufbruch, völlig dehydriert und halluzinierend, das Basislager. Die anderen Teilnehmer der Nanga-Parbat-Expedition erkennen Buhl, dessen eingefallenes Gesicht die Züge eines Greises angenommen hat, kaum wieder.
Drei Jahre, nachdem der Franzose Maurice Herzog mit der 8.091 Meter hohen Annapurna als erster Mensch einen Achttausender bestiegen hatte und einen Monat nach Hillarys Triumph am Everest, feiert die ganze Welt Hermann Buhls Pionierleistung.