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Bergtourismus
Ballermann am Mount Everest

Staus, Tote, Müll: Der Bergtourismus hat auch den höchsten Berg der Welt erobert. Mehr als 300 Menschen erklommen zuletzt an nur einem Tag den Mount Everest. Die Regierung von Nepal will reagieren, steckt jedoch in einem Dilemma.

Von Stefan Nestler |
Bergsteiger stauen sich am Gipfel des Mount Everest.
Bergsteiger stauen sich am Gipfel des Mount Everest. (dpa / picture alliance / Kami Rita Sherpa)
Das Bild ging um die Welt: Eine lange Menschenschlange windet sich am 22. Mai über den Everest-Gipfelgrat in Richtung des höchsten Punktes auf 8850 Metern. Mehr als 300 Menschen erreichten nach Schätzungen an jenem Tag den Gipfel. Vorher mussten sie im Stau stehen, manche berichteten von mehr als zwei Stunden Wartezeit.
Mitten in der Todeszone, wo die Luft mit gerade mal einem Drittel des Drucks in die Lungen gepresst wird wie auf Meereshöhe. Am Everest-Stautag waren dem Vernehmen nach alle Gipfelaspiranten mit Flaschensauerstoff unterwegs, doch irgendwann sind solche Flaschen auch einmal leer. Da grenzt es fast an ein Wunder, dass am 22. Mai lediglich ein Bergsteiger nahe dem Südgipfel sein Leben aushauchte.
Zehn Todesfälle hingen mit Sauerstoffmangel zusammen
Insgesamt kamen in diesem Frühjahr am Everest elf Menschen ums Leben - ohne dass sich eine Naturkatastrophe ereignet hätte. Nur einer dieser elf starb bei einem eher klassischen Bergunfall. Er rutschte beim Abstieg aus und stürzte in die Tiefe. Die anderen zehn Todesfälle hingen mit Sauerstoffmangel, Entkräftung und daraus folgender Höhenkrankheit zusammen. War der Tod dieser Menschen wirklich unvermeidlich, wie hinterher ein nepalesischer Expeditionsleiter wissen ließ?
Die Regierung in Kathmandu vergab in diesem Frühjahr die Rekordzahl von 381 sogenannten Permits, Besteigungsgenehmigungen für den Everest, alleine für die nepalesische Südseite des Berg. Rechnet man nun pro ausländischen Bergsteiger noch im Schnitt einen bis zwei Sherpas als Unterstützung hinzu, kommt man schnell auf eine Summe von 800 bis 1000 Bergsteigern alleine auf der Südseite des Everest.
Im Everest Base Camp in 5.380 Meter Höhe haben viele Bergsteiger ihre Zelte aufgestellt.
Im Everest Base Camp in 5.380 Meter Höhe haben viele Bergsteiger ihre Zelte aufgestellt. (imago stock&people)
Der Stau bildete sich mit Ansage
Die Zahl unterscheidet sich nicht gravierend von den vergangenen Jahren. Diesmal jedoch öffnete sich das Schönwetterfenster, mit wenig Wind und annehmbaren Temperaturen, erst spät in der Saison und dann nur für wenige Tage. Fast alle Expeditionsteams machten sich mehr oder weniger gleichzeitig auf den Weg. Der Stau bildete sich mit Ansage. Alle wollten ihre Chance nutzen, auch jene, die aufgrund mangelnder Fähigkeiten eigentlich nicht an diesen Berg gehörten.
Auch in diesem Jahr gab es wieder Berichte über Everest-Gipfelkandidaten, denen im Basislager gezeigt werden musste, wie sie ihre Steigeisen anlegen sollten. Seit nun schon drei Jahrzehnten wird darüber diskutiert, wie man solche Auswüchse am Everest in den Griff bekommt. Passiert ist so gut wie nichts. Mindestanforderungen für Everest-Aspiranten? Standards für Expeditionsanbieter? Fehlanzeige.
Nepal hängt am Berg-Tourismus
Und der Markt wandelt sich. Waren es früher einige wenige westliche Veranstalter, die Everest-Besteigungen anboten, sind es heute meist die nepalesischen Agenturen, die mit den größten Gruppen am Berg sind. Einige von ihnen locken mit Dumpingpreisen, verschweigen aber, wo sie das Geld einsparen: beim Personal und bei den Sauerstoffvorräten.
Auch die Klientel hat sich verschoben, von Westen nach Osten. Immer mehr Inder und Chinesen wollen auf den Everest. Über Fragen der Bergsteigerethik und Sicherheit wird in diesen Ländern eher selten diskutiert. Die Regierung Nepals hat angekündigt, dass sie über neue Everest-Regeln für 2020 nachdenke - wie eigentlich nach jeder Saison.
Traditionell verlaufen diese Diskussionen dann im Sande. Denn letztlich hängt Nepal an der Nabelschnur des Berg-Tourismus. Und möglichst viele wollen die Everest-Kuh bis zum letzten Dollar melken.