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Bericht
Organentnahme an politischen Häftlingen in China?

Die Vorwürfe erinnern an einen Horrorfilm: Dem sogenannten China-Tribunal zufolge werden in China politische Häftlinge getötet, damit ihnen Organe entnommen werden können. Die Vereinigung von Menschenrechtsanwälten spricht von einer erheblichen Anzahl an Opfern.

Von Friedbert Meurer |
Häftlinge in einem chinesischen Gefängnis werden von Polizei und Sicherheitspersonal eskortiert
Häftlinge in einem chinesischen Gefängnis (imago images / China Foto Press)
Zeugenbefragungen und Aussagen von Experten - zweimal im vergangenen Jahr hat das sogenannte China-Tribunal in London versucht, Beweise zu sammeln, unter anderem wurden Mitglieder der Falun-Gong-Sekte befragt, oder von Minderheiten in der Volksrepublik China wie zum Beispiel Uiguren. Eine Angehörige der Falun-Gong-Sekte berichtete über Video-Zuschaltung, sie sei in ein Lager gebracht worden, dort habe man ihr Unmengen an Medikamenten verabreicht. Für eine Organentnahme kam sie dann doch nicht infrage und überlebte deswegen – andere nicht.
"Die Frauen haben sich erzählt, dass hier Organe entnommen werden, um sie für Spenden bereitzustellen. Das würde hier stattfinden. Aus unserer Zelle wurden viele Frauen abgeführt. Sie kamen nie wieder zurück. Ich weiß nicht, was aus ihnen wurde. Sie verschwanden einfach."
"Es hat eine erhebliche Anzahl an Opfern gegeben"
Hinter dem China-Tribunal steht eine internationale Vereinigung von Menschenrechtsanwälten. Sie möchte aufklären, was in China wirklich passiert. Experten zufolge gibt es eine auffällige Diskrepanz zwischen der offiziellen Zahl von 10.000 Organentnahmen, die die chinesische Regierung meldet - und den Berichten der Krankenhäuser, wonach bis zu 100.000 Organe pro Jahr entnommen werden. Wer sind die Spender der Organe?
Sir Geoffey Nice, der Vorsitzende des Tribunals, im letzten Dezember in London: "Wir sind einstimmig zu einem vorläufigen Ergebnis gelangt. Es gibt keinen vernünftigen Zweifel daran, dass in China politischen Häftlingen Organe zwangsweise entnommen werden und zwar seit geraumer Zeit. Es hat dabei eine erhebliche Anzahl an Opfern gegeben."
Dass in China Hingerichteten Organe entnommen werden oder wurden, war bekannt. Jetzt geht das Tribunal also der unfassbaren Frage nach, in welchem Umfang politische Häftlinge umgebracht werden, um ihnen die Organe zu entnehmen. Die Annahme ist so erschreckend, dass zuletzt der Labour-Abgeordnete im Unterhaus Chris Evans davon sprach, diese Vorwürfe könnten einem Horrorfilm entspringen. Andere sprechen von Massenmord.
China-Tribunal will Beweise vorlegen
Heute wird nun der abschließende Bericht des Tribunals erwartet. Sir Geoffrey Nice war auch schon Ankläger gegen den früheren serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic vor dem Haager Kriegsverbrechertribunal. Der Bericht soll ein Weckruf an Öffentlichkeit und Politik sein:
"Die britische Regierung hat bisher bei mehreren Gelegenheiten die Ansicht geäußert, dass sie die bisher vorgelegten Beweise für nicht zwingend hält. Unsere Organisation würde gerne die Regierung zu einer anderen Schlussfolgerung bewegen."
Die Regierung Chinas habe sich bisher der Aufklärung verweigert. Peking erkennt den internationalen Strafgerichtshof nicht an und eine Untersuchung durch die UNO kann die chinesische Regierung als Vetomacht im Sicherheitsrat verhindern. Folgen könnte der Bericht aber zum Beispiel dafür haben, dass britische Krankenhäuser keine menschlichen Organe mehr aus China importieren sollen. Außerdem sollen Patienten aus dem Westen davon abgehalten werden, nach China zu reisen, um dort ein Organ implantiert zu bekommen.