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Bericht über Mordpläne der CIA
Das Schweigen der US-Medien zu Julian Assange

Der US-Geheimdienst CIA habe Julian Assange entführen und ermorden wollen – das ist ein Ergebnis einer aufwändigen Recherche. Medial schlagen diese Enthüllungen in den USA dennoch kaum Wellen. Das wirft auch ein Schlaglicht auf die Frage, wie US-Medien zum Teil noch immer im Fall Assange berichten.

Text: Michael Borgers; Holger Stark im Gespräch mit Bettina Köster |
Ein als Freiheitsstatue verkleideter Mann hält ein Schild hoch, auf dem "Free Assange. Free Press" steht
Der Fall von Julian Assange sorgt seit Jahren für Solidarität weltweit, hier im August 2021 beim Prozess gegen den WikiLeaks-Mitbegründer in London (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Matt Dunham)
Yahoo ist in Deutschland als Portal aus den Anfangstagen des Internets bekannt und nicht unbedingt als Ort für Qualitätsjournalismus. In den USA gehört Yahoo News allerdings zu den meistgelesenen Seiten, zuletzt noch vor Fox News, "New York Times" oder NBC News. Und Teil des Erfolgskonzepts sind investigative Geschichten wie die, die momentan auch in Deutschland Schlagzeilen macht.
Unter der Überschrift "Entführung, Ermordung und eine Schießerei in London: Einblicke in die geheimen Kriegspläne der CIA gegen WikiLeaks" erzählt Yahoo unter anderem, wie Beamte des US-Auslandsgeheimdiensts CIA 2017 darüber nachgedacht haben sollen, Julian Assange aus dem Exil zu entführen und zu ermorden.
Autoren der Recherche sind die renommierten Investigativ-Journalisten Zach Dorfman, Sean D. Naylor und Michael Isikoff. Die Reporter sprachen für ihre Recherche mit insgesamt 30 ehemaligen Beamten. Das CIA lehnte es ab, die Ergebnisse zu kommentieren.

Nur wenige US-Medien greifen Recherche auf

Eine aufwändige Recherche mit brisanten Ergebnissen, über die in Deutschland Redaktionen wie t-online oder der "Spiegel" berichteten. Es handle sich um einen "schockierenden Anschlag auf die Pressefreiheit", kommentierte die Organisation Reporter ohne Grenzen den Bericht.
Doch in den USA selbst griffen nur wenige andere Medien das Thema auf. Das zeigte eine Deutschlandfunk-Suche in Nachrichten-Suchmaschinen und in ausgewählten Medien wie der "New York Times", der "Washington Post" oder CNN.com, der nach Aufrufen erfolgreichsten US-Nachrichtenseite.
Julian Assange habe sich nicht nur "radikal gegen die amerikanische Politik gerichtet, sondern auch sehr fundamental gegen sehr viele Journalistinnen und Journalisten", stellt Holger Stark fest. Stark hat von Beginn an die von Assange mitgegründete Enthüllungsplattform WikiLeaks journalistisch begleitet, zunächst für den "Spiegel", inzwischen für die "Zeit".

"WikiLeaks wird nur mit der Kneifzange angefasst"

Dass die Yahoo-Recherche in den USA kaum Wellen schlägt, wundert Stark deshalb nicht. Assange habe oft gesagt, "dass er die etablierten Medien verachtet", sagte der Journalist im Deutschlandfunk. Im Fall der "New York Times" etwa kam es im Rahmen von Enthüllungen früh zu einem Bruch, den Stark 2011 in seinem gemeinsam mit Marcel Rosenbach verfassten Buch "Staatsfeind Wikileaks" beschreibt.
Assange habe es sich "auf allen Seiten des politischen Spektrums sehr schwer gemacht", so Stark. Das Thema WikiLeaks werde insgesamt in den amerikanischen Medien "nur mit der Kneifzange angefasst, weil es da wenig zu gewinnen gibt".

Medien-Kritik des UN-Sonderberichterstatters

Kritik am Umgang der US-Medien mit Julian Assange ist nicht neu. "Gerade in den angelsächsischen Medien ist es beinahe unmöglich, ein Interview zu bekommen, wo man jetzt objektiv seine Bedenken schildern kann", erklärte vor fünf Monaten bereits Nils Melzer im Deutschlandfunk.
"Zusammenarbeit verweigert"
Nils Melzer beschreibt in seinem Buch über den Fall Assange, wie der Wikileaks-Gründer staatlicher Willkür und psychischer Folter ausgesetzt sei. Er wolle damit die breite Öffentlichkeit alarmieren, sagte der UN-Sonderberichterstatter im Dlf.
In dem Interview stellte der Völkerrechtsprofessor sein Buch über den Fall Assange vor, mit dem er als UN-Sonderberichterstatter über Folter über Jahre beschäftigt war. Melzer kritisiert darin, große Nachrichtenmedien hätten lange kaum bis gar nicht über den Fall berichtet.
Ein Blick in die Archive großer Nachrichtenseiten zeigt aber auch: Über die Gerichtsverfahren in Großbritannien gegen den WikiLeaks-Gründer berichten größere Redaktionen regelmäßig.

Journalist Stark hofft auf Effekt von Recherche

Vor dem Hintergrund der Yahoo-Recherche wünscht sich "Zeit"-Journalist Holger Stark, dass die britischen Richter Assange "nicht nur aus humanitären Gründen in London behalten und vor der Abschiebung in die USA bewahren". Das Gericht müsse seine Entscheidung auch "endlich inhaltlich begründen", fordert Stark.
Assange werde verfolgt wegen "Dingen, die einen hohen demokratischen Nutzen hatten, nämlich die Enthüllung von Kriegsverbrechen und anderen Schweinereien der amerikanischen Regierung". Sollte die Veröffentlichung von Yahoo dazu beitragen, "dass die Richter das ebenso sehen, dann wäre ein klein bisschen geholfen".