Die offiziellen russischen Stellen meldeten sich prompt, mit sehr ähnlicher Wortwahl. Die britische Untersuchung zum Mordfall Litwinenko sei "intransparent" verlaufen, das Ergebnis sei "absurd" und diene politischen Zielen. Maria Zacharowa, Sprecherin des Außenministeriums, sprach von einem "pseudo-gerichtlichen Prozess" und einer "politischen Farce":
"Die britische Seite hat einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen. Sie hat die Justiz benutzt, um eine politisch motivierte, undurchsichtige Untersuchung durchzuführen, deren Ergebnisse vorher feststanden. Es gab nur ein Ziel: Russland und seine Führung anzuschwärzen."
Das russische Ermittlungskomitee schlug in die gleiche Kerbe. Die politisch einflussreiche Strafverfolgungsbehörde äußert sich gewöhnlich zu russischen Kriminalfällen und nimmt dabei, besonders wenn Kremlkritiker betroffen sind, selbst immer wieder mal Vorverurteilungen vor. Nun sagte ihr Sprecher Igor Krasnow:
"Der Schuldige stand von Anfang an fest. Man musste nur noch sogenannte geheimgehaltene Fakten auf das Ergebnis trimmen. Es ist absurd, von einer öffentlichen Untersuchung zu sprechen, und dann geheimes Material zu benutzen, das man beliebig manipulieren kann."
Auch die mutmaßlichen Mörder äußerten sich. Dmitrij Kowtun beteuerte seine Unschuld. Richter Owen habe aus den gefälschten Beweisen allerdings gar keine anderen Schlüsse ziehen können. Andrej Lugowoj trat in Sotschi vor die Kamera:
"Ich finde es bedauerlich, dass die britische Justiz so weit gesunken ist, politische Erklärungen zu verkünden, statt sich vom gesunden Menschenverstand leiten zu lassen."
Russlands Botschafter wurde einbestellt
Lugowoj sitzt in der Staatsduma, als Abgeordneter der populistischen sogenannten Liberaldemokraten. Deren Vorsitzender Wladimir Schirinowskij hatte Lugowoj 2007, ein Jahr nach dem Mord an Litwinenko, mit Listenplatz zwei bei der Parlamentswahl bedacht. Lugowoj ist stellvertretender Vorsitzender des Sicherheitsausschusses der Duma. Er brachte ein Gesetz zur Einschränkung der Internetfreiheit ein, das 2014 in Kraft trat. Seitdem ist es in Russland erlaubt, Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren. Putin verlieh ihm letztes Jahr einen Orden für "besondere Verdienste vor dem Vaterland".
Bereits am Nachmittag zeichnete sich ab, dass die Londoner Entscheidung das russisch-britische Verhältnis weiter belasten wird. Russlands Botschafter Alelsandr Jakowenko wurde in London ins Außenministerium einbestellt. Er sagte anschließend:
"Ich habe darauf hingewiesen, dass es absolut unzulässig ist, zu behaupten, der russische Staat sei an Litwinenkos Tod beteiligt. Das ist eine riesige Provokation der britischen Regierung, sie muss unseren gegenseitigen Beziehungen schaden. Wir haben in einer Reihe von Fragen unterschiedliche Meinungen: Zur Ukraine, zu Syrien. Unsere Beziehungen stecken nicht in der besten Phase. Und die Sache Litwinenko zerstört weiter Vertrauen."