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Berichte über Frauenfußball
"Komplett männlich konnotiert"

Über die Fußball-WM der Frauen ist in den vergangenen Wochen breit berichtet worden. Trotzdem gibt es immer noch große Unterschiede im Vergleich zu Berichten über die Fußball-Männer. So werden Frauen zum Beispiel oft ganz anders gezeigt als ihre Kollegen.

Von Ronny Blaschke |
Megan Rapinoe aus den USA jubelt über das Tor zum 1:0.
Sportlerinnen werden Expertinnen zufolge nur selten in Siegerpose gezeigt (dpa /PA Wire /)
Für die deutschen Fußballerinnen endete die WM schon im Viertelfinale. Nun beginnt der Alltag wieder. In der Bundesliga ist der Zuschauerschnitt pro Spiel auf 833 gefallen. Der Frauenfußball spielt in TV und Sponsoring kaum eine Rolle. So fehlen dem Nachwuchs sichtbare Vorbilder. Bei Mädchen bis 16 sind 40 Prozent weniger Teams angemeldet als im Jahr 2010.
"Das Problem beim Frauenfußball und bei allen anderen weiblichen Sportarten liegt vor allen Dingen daran, dass diese Medien-, Sport- und Wirtschaftsallianz komplett männlich konnotiert ist. Das heißt, in den Entscheidungspositionen sitzen ausschließlich Männer. Zum Beispiel in der gesamten Sportberichterstattung in Deutschland – TV, Print, Radio – kommen nur in 15 Prozent aller Berichte Sportlerinnen vor. Wenn sie abgebildet werden in Fotos, dann viel, viel seltener in Siegerposen oder im Rahmen der sportlichen Aktion. Sondern sie werden tatsächlich eher als, in Anführungszeichen, 'Frauen' positioniert", sagt die Kölner Medienforscherin Daniela Schaaf.
Frauen nicht als Zielgruppe erkannt
Noch lässt die Wirtschaft laut Daniela Schaaf Potenzial ungenutzt. Laut dem Forschungsunternehmen Nielsen Sports interessieren sich in Deutschland zehn Millionen Frauen im Fernsehen für Sport. Beim Männerfußball sind fast 40 Prozent des TV-Publikums weiblich. Trotzdem gibt es wenig Werbung, die sich an Frauen richtet, findet die Berliner Trainerin und Frauenrechtsaktivistin Johanna Small.
"Lasst uns lange Haare haben, kurze Haare haben, Menschen unterschiedlicher Herkunft haben. Und das ganze Spektrum irgendwie darstellen. Und nicht immer nur dieses klassische Stereotyp. Da würde ich mir auch wünschen, dass es eher einen Bezug hat auf das Sportliche, auf die Leistung, auf das Inspirierende. Ich denke, sportlicher Erfolg lässt sich toll darstellen. Und damit lässt sich auch gut werben. Und kann auch gut für die nächste Generation anziehend wirken, ohne dass damit die Weiblichkeit irgendwie instrumentalisiert wird."
Auch während der WM konzentrierten sich einige Medien auf das Aussehen der deutschen Spielerinnen. Nach dem Siegtor der 19-jährigen Giulia Gwinn im ersten Spiel titelte die Münchner Boulevardzeitung tz: "So heiß zeigt sich das DFB-Hottie bei Instagram". Die Bild-Zeitung schrieb über den "Auftakt-Sieg dank unserer Hübschesten". Innerhalb des Sportjournalismus gibt es über solche Formulierungen keine breite Debatte.
Nur wenig Sportjournalistinnen
Doch es gibt Ausnahmen: Die Taz in Berlin organisierte 2018 einen Workshop für junge Sportreporterinnen. Eine der Organisatorinnen war die Journalistin Alina Schwermer. "Der Anteil der Frauen im Sportjournalismus ist ja sogar weniger geworden, anhand von den wenigen Untersuchungen, die es gibt. Um die 2000er herum, glaube ich, waren es fünf Prozent. Und dann waren es irgendwann zehn Prozent, und jetzt sind es wieder fünf. Dann war der Gedanke, wo kann man früher ansetzen? Wie kann man die Leute abholen? Wie kann man das Interesse wecken? Aber wir wollten auch ganz expliziert ein bisschen ermutigen, dass die nicht nur über Frauenfußball was machen, dass Frauen nicht immer nur dieses Frauending machen."
Die Rolle von Frauen als Exotinnen ist in der Fußballkultur tief verwurzelt, in Zeichentrickserien, Computerspielen, Blogs. Manchmal befördern Medien diese auch: 2016 meldete der Verband Deutscher Sportjournalisten in seinem Magazin die Wahl von Laura Wontorra zur "heißesten Sportmoderatorin".
Frauenquote als Lösung?
Der Internationale Sportjournalistenverband lehnte eine Reform ab, die selbst die Fifa bewilligt hatte: nämlich eine Frauenquote für sein Führungsgremium. Doch eine Quote könnte auch in Redaktionen zu Sichtbarkeit von Frauen führen, sagt Katharina Dahme, Aufsichtsratschefin des SV Babelsberg in Potsdam. Dahme hat früher im Marketing von "11 Freunde" gearbeitet. Das Fußballmagazin beschäftigt etliche Frauen, in Finanzwesen oder IT. Aber:
"Als ich da war, gab es nie eine Frau, die geschrieben hat, außer vielleicht mal bei den Praktikantinnen. Aber es gibt keine Redakteurin. Ich würde sagen, es ist ein bisschen ähnlich wie bei den Fußballvereinen, wo ich mich bewege: Dass die Leute sagen: 'Ja, es wäre irgendwie schon sinnvoll, wenn es da auch mehr Frauen gebe'. Aber es ist den Leuten auch nicht wichtig genug, dass sie sich bewusst darum bemühen. Man hätte ja bewusst auch mal eine Redakteurinnen-Stelle ausschreiben können und sagen können: Wir nehmen nur Bewerbungen von Frauen entgegen. Würde man immer sagen: Nee, Qualität geht vor Geschlecht, oder so. Es gibt nicht so ein richtiges Problembewusstsein, zu sagen: Man muss ganz konkret eine Frau in so einer Position fördern."
In den großen Sportmedien gibt es wenig Bewegung zum Thema. Also gründen Aktivistinnen und Journalistinnen eigene Netzwerke: zum Beispiel das Bündnis "F_in", Frauen im Fußball. Oder den Podcast "FRÜF", Frauen reden über Fußball. Mit Workshops und Diskussionen setzen sie sich im Fußball dafür ein, dass die weibliche Hälfte der Gesellschaft auch ohne Weltmeisterschaft angemessen repräsentiert ist.