Über Schwarzarbeit spricht man nicht öffentlich. Schon gar nicht als Asylbewerber. Man könnte den Job verlieren, oder schlimmer noch: Die Hoffnungen auf Asyl könnten im Abschiebeknast enden. Im niedersächsischen Neu Wulmstorf haben sich nun ein paar Männer getraut zu sprechen - zwar nicht mit Journalisten, aber mit der Polizei. Die ermittelt nun. NDR Info liegen schriftliche Aussagen der Flüchtlinge vor. Danach soll ein ehemaliger Mitarbeiter einer Gemeinschaftsunterkunft versucht haben, den Bewohnern gegen Provision Schwarzarbeit und anderes zu vermitteln. Zitat internes Dokument:
"Ich bat Herrn A. darum, mir bei der Suche nach einer Arbeitsstelle zu helfen. Herr A. bat mir an, eine unangemeldete Stelle in einer Diskothek auf der Reeperbahn anzunehmen, das heißt also 'Schwarzarbeit'. Als Gegenleistung sollte ich jedoch die Hälfte des Gehalts an ihn abgeben. Dazu war ich nicht bereit."
Andere nähmen solche Angebote an, sagt Julia Schmidt. Ihren richtigen Namen und ihre Stimme will sie nicht im Radio hören. Auch sie hat Angst um ihren Job. Seit zehn Jahren ist sie Sozialarbeiterin in Niedersachsen, Hamburg und Berlin. Julia Schmidt geht davon aus, dass bis zu 50 Prozent der Asylbewerber irgendwann einmal schwarzarbeiten.
"Die müssen arbeiten, die müssen ihre Familien zu Hause versorgen. Mütter, Väter. Schlepperkosten. Manche sind richtig verzweifelt. Dann verlassen sie die Unterkünfte und sind zwei Wochen, drei Wochen nicht da, oder gehen morgens weg und kommen abends zurück. Das merkst du richtig, wenn sie dann spät nach Hause kommen, wie sie so nach Essen riechen. Sie arbeiten viel in Küchen, viel auf Baustellen, viel, wo sie nicht im Vordergrund auftreten."
Im Hintergrund, damit sie nicht erwischt werden. Der Zoll greift tatsächlich bundesweit lediglich circa zehn Flüchtlinge pro Monat bei der Schwarzarbeit auf. Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Linz kommen dagegen zu einem anderen Ergebnis: Demnach arbeiten derzeit etwa 300.000 Flüchtlinge schwarz. Belastbare Zahlen gibt es also keine aus der Schattenwelt, aber viele Beispiele.
"Ich weiß auch, dass das Unrecht ist, was ich mache"
Morgens am Busbahnhof in Hamburg. Toni Nikiema heißt eigentlich anders, ist aber tatsächlich vor knapp zwei Jahren aus Burkina Faso nach Deutschland geflohen. Seitdem wartet er auf die Entscheidung für oder gegen seinen Asylantrag und arbeitet immer wieder schwarz.
"Als wir auf der Suche nach Arbeit hierher kamen, wussten wir noch nichts von diesem Asylverfahren, wie das läuft. Dass man erst eine Arbeitserlaubnis braucht. Wir wollen arbeiten. Wir wollen nicht die ganze Zeit im Camp bleiben und schlafen und essen, schlafen und essen. Da wird man irgendwann verrückt."
Im Bus sortiert er noch einmal den Inhalt seiner kleinen Sporttasche. Ein Deutschlernbuch ist dabei, ein paar Klamotten und das Wichtigste: Ein Arbeitsvertrag für eine Reinigungsfirma. Den muss er seiner zuständigen Behörde zur Genehmigung vorlegen. Die ist in Sachsen-Anhalt, denn dort ist er gemeldet und hat eigentlich auch einen Platz in einer Unterkunft. Toni Nikiema aber lebt lieber auf eigene Kosten für 150 Euro in Hamburg auf einer Matratze. Hier gebe es mehr Möglichkeiten für Jobs, sagt er: "Ich will eigentlich nicht schwarzarbeiten, ich weiß auch, dass das Unrecht ist, was ich mache, kriminell, aber anders finde ich keinen Job."
Jetzt hofft er, dass die Behörde den Arbeitsvertrag mit der Reinigungsfirma anerkennt. Den vorherigen hatte sie abgelehnt, weil die Arbeitsbedingungen nicht den tariflichen, ortsüblichen Bedingungen entsprachen, wie es im Ablehnungsbescheid heißt. Also arbeitet er wieder schwarz – hilft in der Küche oder belädt Containern.
"Die Arbeit mit den Containern ist sehr schwer. Die behandeln dich als wärst du kein Mensch. 'Sneller, Sneller!' Zwölf Stunden am Tag für wenig Geld. Ohne Pause. Wenn man nicht schnell genug ist, bekommt man noch weniger Geld als sowieso. Sie behandeln einen ohne jeden Respekt. Sie wissen, dass wir keine Arbeitserlaubnis haben und sie alles mit uns machen können."
"Für alles, was sie machen, wollen sie Geld"
Zu Emilia Mitrovic von der Beratungsstelle Arbeit und Migration des DGB in Hamburg kommen immer wieder Flüchtlinge, die um ihren Lohn betrogen oder schlecht behandelt wurden. Ungefähr 60 im Jahr. "Es profitieren ziemlich viele Leute davon, dass andere in Not sind."
Die meisten Flüchtlinge hier haben keinerlei Aufenthaltsstatus. Papierlose, die das Geld aus Schwarzarbeit zum täglichen Überleben brauchen. Manchmal aber auch Asylbewerber, die sich zu ihrem Geld vom Staat etwas dazu verdienen wollten und dann betrogen wurden.
Mitrovic: "Für Flüchtlinge sehen die Arbeitsbedingungen genauso aus wie für Menschen, die überhaupt keine Papiere haben, nämlich schlecht. Das heißt sie bieten sich auf dem Arbeitsmarkt an unter Bedingungen, die einmal Lohndumping sind, zum anderen schlechte Konditionen haben, häufig auch bei Arbeitsunfällen, dass sie nicht versichert sind."
Doch nicht nur die Arbeitgeber profitieren von den billigen Kräften. Illegale Arbeitsvermittler wie Herr A. in Neu Wulmstorf sollen auch in Unterkünften in anderen Bundesländern unterwegs sein - in Berlin und Hamburg etwa. Der Sozialarbeiterin Julia Schmidt erzählen Flüchtlinge manchmal von solchen Fällen.
"Gerade zwischen Leuten mit Migrationshintergrund finden oft Vermittlungen statt. Und natürlich gibt es auch welche, die für die Vermittlung kassieren. Für alles, was sie machen, wollen sie Geld. Wenn sie denen Arbeit vermitteln, möchten sie Geld haben. Wenn Sie eine Wohnung vermitteln, möchten sie Geld haben. Und genauso wie die Flüchtlinge ihr letztes Hemd gegeben haben, um zu fliehen, haben sie sich mit dem Gedanken angefreundet, das Letzte zu geben, um jetzt hier weiterzukommen."
Der Verdächtige A. in Neu Wulmstorf ist nach Angaben des Unterkunftsbetreibers Human Care im Juli sofort entlassen worden, als es Beschwerden gab. Das Unternehmen stellte Strafantrag. Weitere Fälle kenne man nicht, schreiben Human Care und sein Auftraggeber, der Landkreis Harburg, NDR Info.
Seit Kurzem gilt nun das neue Integrationsgesetz, das es Asylbewerbern erleichtern soll, legal zu arbeiten. Flüchtlingshelfer und Sozialarbeiter sehen darin einen wichtigen Schritt, gehen aber nicht davon aus, dass es die Schwarzarbeit unter Flüchtlingen stark reduzieren wird.