Walid Berrazeg schaltet sich aus Taipeh per Skype zu. Seit Ende 2019 lebt der 32-jährige Fotograf algerisch-französischer Herkunft in Taiwan. Bis dahin arbeitete er in Hongkong – hielt dort die Demonstrationen der Demokratiebewegung fest. Beeindruckt hat ihn dort nicht nur, wie gut organisiert diese waren. "Am Ende jeder Demo haben wir Fotografen uns alle gesammelt. Und es kamen dann immer Leute auf uns zu, um sich bei uns zu bedanken. Das war wirklich - beeindruckend. Wir haben dann gesagt, dass wir doch nur unseren Job machen würden. Aber sie meinten: Erst durch Eure Arbeit kann sich unsere Situation verändern. Und dann haben sie uns mit Essen und Bier versorgt. Das war echt toll."
Der studierte Marketingexperte lacht, wie er überhaupt oft lacht, wenn er von seinen Erlebnissen erzählt. Reportagefotos aus Hongkong konnte Berrazeg zwar gut verkaufen, aber für ein angemessenes Leben in der teuren Stadt reichte es nicht. Außerdem war er dort offiziell nur als Tourist unterwegs und fürchtete Repressalien.
Taiwan profitiert von Chinas Abschottung
Die Volksrepublik China gibt seit März 2020 ohnehin keine Journalistenvisa mehr aus, mehrere Korrespondenten wurden ausgewiesen. Profitiert hat davon Taiwan, heißt es aus dem Außenministerium. Insgesamt haben sich dort im vergangenen Jahr 34 ausländische Journalistinnen und Journalisten neu akkreditiert, auch weil einige Medien Personal aufgestockt haben. Die meisten stammen aus den USA, gefolgt von den Franzosen. Walid Berrazeg ist einer von ihnen.
Die Lebenshaltungskosten seien in Taiwan niedrig und das Arbeitsumfeld besser als in vielen anderen Ländern, erzählt er: "Man hat hier nur Vorteile. Das heißt, eine demokratische Regierung, die versucht, transparenten Journalismus zu fördern. Und das ist perfekt. Wenn ich das vergleiche mit meinen Kollegen in Frankreich, in Algerien und sogar mit denen in den USA, wenn wir uns die jüngsten Ereignisse anschauen, dann muss ich sagen: Wir haben hier eine Regierung, die uns wirklich hilft. Es gibt keinerlei Hindernisse."
"Es gibt mehr und mehr Interesse an Taiwan"
Dennoch sei der Anfang schwer gewesen, so der Pressefotograf. Die Nachfrage nach Themen aus Taiwan war anfangs gering, er hatte keine Kontakte. Das hat sich jedoch schnell geändert. "Ich arbeite hauptsächlich mit der Agentur Hans Lucas in Frankreich. Die arbeitet mit der französischen Presseagentur und der Agentur Reuters zusammen. Und auch mit anderen Agenturen in Europa wie zum Beispiel Imago in Deutschland. Und dann habe ich noch kleinere Aufträge. So habe ich vor kurzem mit dem französischen Magazin Le Point gearbeitet."
Le Point hat ihm eine Geschichte über das Säbelrasseln der Chinesen im Südchinesischen Meer abgekauft. Ein Thema, dass durch den Konflikt mit den USA stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist. Nebenbei erstellt er noch Webseiten, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren und porträtiert taiwanische Führungskräfte. Wie lange er bleiben wird, weiß er noch nicht, aber Walid ist sicher: Die Zeit in Taiwan ist förderlich für seine Karriere: "Es gibt mehr und mehr Interesse an Taiwan. Gleichzeitig gibt es noch nicht so viele internationale Medien wie in Japan oder China."
Keine "tiefe kritische Pressekultur – bis jetzt"
Insgesamt sind in Taiwan 90 Auslandsjournalisten registriert. Eine Steigerung um 37 Prozentpunkte von 2019 auf 2020. Carina Rothers Geschichte ist eine ganz andere. Die Regensburgerin hat auf der Insel Sinologie studiert und war einige Jahre beim öffentlich-rechtlichen Auslandssender Radio Taiwan International angestellt. Das sicherte den Lebensunterhalt, aber zufrieden war sie dort nicht: "Die Strukturen sind einfach zu alt. Es ist unterfinanziert, und man kann sich als ausländische Journalistin dort nur begrenzt weiterentwickeln."
Die 31-Jährige kündigte und arbeitet jetzt frei für einige deutsche Radiosender. Die Insel sei nicht nur durch Corona mehr ins Bewusstsein der deutschen Medien gerückt, sondern auch die politischen Entwicklungen. Dennoch hofft sie auf noch stärkere Nachfrage. Die Sinologin will sich breit aufstellen: "Ich werde Übersetzungen machen, ich werde schreiben, ich werde Dokumentationen machen. Also man muss sich diversifizieren als ausländische Journalistin hier."
Medien hätten in Taiwan alle Freiheiten, sagt Carina Rother. Dennoch seien die einen, historisch bedingt, noch sehr, wie sie es nennt, "regierungshörig" und die anderen vor allem sensationslüstern. Taiwan ist noch eine junge Demokratie. "Es gibt einfach nicht diese tiefe kritische, investigative Pressekultur, bis jetzt. Aber man merkt auch, dass da junge Generationen von den Journalistenschulen nachkommen, die versuchen, etwas anderes zu machen." Aber das gehe natürlich nicht von heute auf morgen.