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Berichten über Terroranschläge
"Lehren aus einer zu hektischen Berichterstattung"

Kurz nach dem Anschlag in Straßburg habe man im ZDF "heute journal" sachlich berichtet und den Terrorverdacht nicht ins Zentrum gestellt, sagte Redaktionsleiter Wulf Schmiese im Dlf. Man müsse immer abwägen: Ist man hysterisch oder zu abgestumpft? Dies sei das Ergebnis eines "Selbstlernprozesses".

Wulf Schmiese im Gespräch mit Sebastian Wellendorf |
    Straßburg: Ein Polizist sichert die Umgebung nach dem ein Mann mehrere Menschen erschossen hat
    Straßburg: Ein Polizist sichert die Umgebung nach dem ein Mann mehrere Menschen erschossen hat (imago / Elyxandro Cegarra)
    Wie alle großen Onlinedienste, Radio- und Fernsehanstalten berichtete gestern Abend (11.12.2018) auch das ZDF im Nachrichtenmagazin "heute journal" über den Anschlag in Staßburg - "nahe des Weihnachtsmarktes", wie es in vielen Eilmeldungen hieß, schon kurz nachdem in der Straßburger Altstadt Schüsse gefallen waren.
    Weder im Fernsehprogramm der ARD noch im ZDF kam es zu einer Unterbrechung des laufenden Programms. Das "heute journal" eröffnete seine aktuelle Sendung auch nicht mit einem Bericht über den Anschlag, sondern setzte das Reportergespräch zum Thema in die Mitte der Sendung. Hätte man vor zwei Jahren noch anders berichtet?
    "Sehr sachlich und nüchtern"
    Dass man mit dem Anschlag nicht die aktuelle Nachrichtensendung aufgemacht habe, hatte pragmatische Gründe, sagte Redaktionsleiter des "heute journals" Wulf Schmiese im Dlf. Seit knapp zwei Jahren ist er für das Nachrichtenmagazin des ZDF verantwortlich.
    Zu Beginn der Sendung hätten dem Reporter vor Ort noch nicht alle Informationen vorgelegen. Ob es sich bei dem Anschlag um einen Terrorakt gehandelt habe oder um eine private Fehde, sei noch nicht bestätigt gewesen. Da der Kameramann auf Grund des Anschlags im Europaparlament in Straßburg festgesessen hätte, habe man außerdem keine Videoschalte machen können, sondern telefonisch gesprochen "sehr sachlich und nüchtern", meint Schmiese.
    Ergebnis eines "Selbstlernprozesses"
    "Der Terrorverdacht lag nicht im Zentrum" - in diesem Aspekt habe sich die Berichterstattung gewandelt, so Schmieses Einschätzung: "Man muss gar nicht spekulieren, ist das Terror?, sondern jeder Zuschauer und Zuhörer hat das natürlich im Kopf, er muss nicht drauf hingewiesen werden. Wenn es nicht Terror ist, dann ist es ja fast schon eine Überraschung."
    Dies sei auch ein Ergebnis eines "Selbstlernprozesses" im Umgang mit Berichterstattung zu Anschlägen: "Lehren aus einer zu hektischen Berichterstattung" aber auch eine Reaktion auf Kritik von Zuschauern. In den "Jahren des Terrors" habe man gemerkt, dass man besonders dosiert und ausgewogen berichten müsse:
    "Man muss immer abwägen: Ist man hier hysterisch und macht die Leute verrückt da draußen. Oder ist man im Grunde genommen zu abgestumpft und berichtet etwas nicht. Es ist wirklich ein schmaler Grat und ich habe den Eindruck, den haben wir Medien weitgehend gefunden."