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Berichterstattung nach dem Hype
Auf der Suche nach dem "Schulzzug"

Nach der dritten Niederlage unter dem neuen SPD-Vorsitzenden ist der Spott groß - und der Vorwurf da: Der "Schulz-Effekt" habe sich als von den Medien herbeigeschriebener Hype entpuppt. Eine mediale Bestandsaufnahme am Tag nach der NRW-Wahl.

Von Michael Borgers |
    Das Smartphone Spiel "Schulzzug"
    Der "Schulzzug" - sogar als Spiel auf dem Smartphone unterwegs. (picture alliance / Michael Kappeler / dpa)
    "Schulz die geile Sau, der Schulz-Zug, der Gott-Kanzler - der Hype um SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz kennt im Internet keine Grenzen", textete die F.A.Z. noch Mitte März in einem Video.
    Gut zwei Monate später, wenige Minuten vor Bekanntgabe der ersten Prognosen für die NRW-Wahl, bleibt das ZDF im Bahn-Bild: "In NRW führen viele Wege nach Düsseldorf. Wer kommt heute Abend als Gewinner an? Und wer bleibt auf der Strecke?", heißt es in einem Vorbericht.
    Dann das Ergebnis: Die SPD verliert - und die Suche nach der Ursache beginnt: "Wie erklären Sie sich das, dass dieser Schulz-Effekt so - ich will nicht sagen - verpufft ist, aber doch allmählich, über die Wochen hin ins Nichts sich weggezaubert hat?", will Sven Lohrig vom ARD-Morgenmagazin wissen. Und seine Kollegin Anna Planken wird noch drastischer: "Kann Martin Schulz das direkt vergessen? Oder gibt es noch Hoffnung für ihn."
    "Schließlich wirkte er zu lange, als glaubte er den Schulz-Hpye selbst", kommentiert ZDF-Chefredakteur Peter Frey.
    Und viele Print- und Online-Kollegen bleiben im Bild und titeln: Der Schulz-Zug - er sei "abgefahren, entgleist, gestoppt".
    Aber auch journalistische Selbstkritik ist zu hören. So warnt "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo bei "Anne Will", dass dem großen Schulz-Hype nun der große Schulz-Abgesang folgt: "Ich finde, die Dinge verändern sich so rasend schnell und wir lagen so oft falsch in den Vorhersagen, dass ich mir ein wenig Deutungsdemut wünschte."
    Ähnlich äußert sich WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn: "Wir haben es mit ganz schnellen Konjunkturzyklen zu tun. Und manche von uns sollten mit dem, was sie schreiben oder senden, auch mal draufgucken, wie schnell sich politische Stimmungen ändern können."