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Berichterstattung über Autonome
"Kino im Kopf angeheizt"

Musikalische Kundgebung oder Belagerung durch Autonome? Was geschah vor dem Haus eines Polizisten bei Hitzacker im Wendland? NDR-Redakteur Stefan Schölermann wundert sich im Dlf-Interview über die Berichterstattung einiger Medien, die keine Zweifel offenließen.

Stefan Schölermann im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Pfeilwegweiser zu den Orten Hitzacker, Grabau, Nienwedel, Penkefitz und Wusselgel
    Was geschah im Wendland? (imago stock&people)
    Im Wendland hatte eine Gruppe politisch linksorientierter Aktivisten vor dem Haus eines Polizisten demonstriert. Davon wurde in einigen Medien zunächst ein einseitiges Bild vermittelt, sagt der Stefan Schölermann von NDR Info im Dlf-Interview. Er hat das Thema für den Norddeutschen Rundfunk begleitet.
    Die Berichterstattung habe sich in zwei Stufen vollzogen, so Schölermann. Zunächst habe es nur eine Pressemitteilung der Polizei gegeben, in der von 60 zum Teil vermummten Personen die Rede war. Im Laufe des Pfingstwochenendes wurde daraus unter anderem bei bild.de die Erstürmung des Privatgrundstücks.
    "Die Welt" habe ihren Bericht mit einem Symbolfoto illustriert, das Steine werfende Chaoten zeigte und nichts mit dem Ereignis zu tun hatte. Erst am späten Sonntagabend habe der NDR dann Kontakt zu den Aktivisten selbst bekommen, die eine ganz andere Darstellung gegeben hätten. Man habe nur Musik gemacht und einen Wimpel an einem Carport angebracht – und nur wenige Teilnehmer seien vermummt gewesen.
    Beide Seiten müssen gehört werden
    Die Aktion sei, auch wenn sie friedlich verlaufen sei, seiner Meinung nach trotzdem nicht vertretbar, so Schölermann: "Es wird hier der private Schutzbereich eines Beamten angegriffen. Das hinterlässt Spuren, auch wenn der Beamte selbst nicht zu Hause war, sondern seine Familie – oder gerade weil es die Familie getroffen hat."
    Trotzdem müsse man aber beide Seiten hören. Die Polizei sei in ihrer Pressemitteilung über die sachliche Darstellung eines Sachverhaltes hinausgegangen, indem sie wertend eine "neue Dimension der Gewalt" verurteilte. Damit sei die Behörde selbst zur Partei geworden, auch deshalb müsse ihre Darstellung hinterfragt werden.
    "Tatort" war schwer erreichbar
    Der eher abgelegene Ort des Geschehens sei am verkehrsreichen Pfingstwochenende eher schlecht zu erreichen gewesen, erklärte Stefan Schölermann. Gerade in einer solchen Situation müsse für Journalisten aber zum einen gelten: "Höre auch die andere Seite sobald wie möglich, ohne es zu werten." Und man habe "mit der Darstellung - Vermummte stürmen Privatgrundstück eines Poizeibeamten, garniert mit Bildern von einem Event, das mit diesem gar nichts zu tun hatte - eindeutig das Kino im Kopf angeheizt und einen ganz anderen Eindruck gegeben, als es möglicherweise konkret hatte."