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Berichterstattung über Baerbock
Auch eine Mediendebatte

Die Debatte um die Kanzler-Kandidatin Annalena Baerbock war von Anfang auch eine Auseinandersetzung einiger Medien. Die gegenseitigen Vorwürfe reichen von Gefälligkeitsjournalismus für die Grünen-Politikerin bis hin zu der Kritik, eine Kampagne gegen Baerbock zu fahren. Aktuelles Beispiel: die Berichterstattung über Plagiatsvorwürfe.

Text: Michael Borgers; Nikolaus Blome im Gespräch mit Christoph Sterz |
Annalena Baerbock hält bei der Vorstellung ihres Buches "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" ein Exemplar in den Händen
Annalena Baerbock hält bei der Vorstellung ihres Buches "Jetzt. Wie wir unser Land erneuern" ein Exemplar in den Händen (picture alliance / dpa / Christoph Soeder)
Annalena Baerbock soll abgeschrieben haben. In ihrem vor gut einer Woche erschienenen Buch "Jetzt: Wie wir unser Land erneuern" habe sie einige Formulierungen anderer übernommen, ohne das kenntlich zu machen. Diese Vorwürfe erhebt der selbsternannte "Plagiatsjäger" Stefan Weber, ein österreichischer Kommunikationswissenschaftler, der gegenüber der Deutschen Presse-Agentur inzwischen erklärt hat, er habe sich "in das Thema Baerbock verbissen".
Schon bald nach der Veröffentlichung in Webers Blog griffen einige Medien die Vorwürfe auf und bildeten sie nachrichtlich ab. Parallel begannen Journalisten, in sozialen Netzwerken das Thema einzuordnen. Das Ergebnis, einen Tag später: gegenseitige Vorwürfe - in allen medialen Spielarten.

Kritik an "Tagesschau", weil sie berichtet

Im Mittelpunkt dieser Diskussion stehen die Beiträge öffentlich-rechtlicher Sender oder ihrer Angestellten. Zum Beispiel in der ARD: "Plagiatsvorwürfe gegen Baerbock", hieß es am 29. Juni in der Hauptausgabe der Tagesschau um 20 Uhr.
"Was soll das?", fragte daraufhin auf Twitter die Schriftstellerin und SZ-Kolumnistin Jagoda Marinić. Es handle sich um "Vorwürfe eines Einzelnen, die bislang nicht mal als Urheberrechtsverletzungen einzustufen sind".
Hannah Neumann, für die Grünen im Europaparlament, sprach im Zusammenhang mit dem Tagesschau-Bericht von einer "Schmutzkampagne". Auch Journalistinnen hätten "gerade nach Trump" eine "Verantwortung für den demokratischen Diskurs".
Auch andere wunderten sich über die allgemeine mediale Aufmerksamkeit für das Thema. "Dafür, dass unsere Medienlandschaft so linksgrün verseucht ist, durchschreitet Annalena Baerbock einen bemerkenswerten Feuersturm", kommentierte etwa Gordon Repinski, stellvertretender Chefredakteur des Portals "The Pioneer".
Und schreibt weiter: "Funktioniert gut, schon wegen der Begriffe: Nebeneinkünfte, Lebenslauf, Plagiat. Wenn der 2. Blick vieles relativiert, ist der Schaden längst angerichtet."

"Bild" macht ZDF für privaten Thread verantwortlich

Besonders große Beachtung erhielt aber ZDF-Rechtsexperte Felix Zimmermann. In mehreren Beiträgen erklärte der Journalist, ebenfalls auf Twitter, warum aus seiner Sicht nichts dran ist an den Vorwürfen gegen die Grünen-Politiker. Ein Thread, der tausendfach geteilt und dabei auch vielfach für seine angebliche Parteinahme kritisiert wurde.
Die "Bild"-Zeitung nahm dann sogar den ganzen Sender in Verantwortung und machte aus dem Beitrag eines Einzelnen "ZDF springt Baerbock bei". Außerdem suggerierte das Blatt eine Verbindung Zimmermanns zum Berliner Medienanwalt Christian Schertz.
Die Grünen hatten Schertz im aktuellen Streitfall engagiert. Auch er sprach von einer "Kampagne" gegen die Partei; die Anschuldigung einer Urheberrechtsverletzung entbehre "jeglicher Grundlage".
Dass ZDF-Journalist Zimmermann früher einmal für den Juristen gearbeitet habe, sei "pikant", behauptete "Bild" daraufhin - ohne allerdings genau zu begründen, warum.

Blome: Kann mit Begriff "Kampagne" wenig anfangen

"Kampagne ist ein sehr dehnbarer Begriff", findet Nikolaus Blome, lange Jahre bei "Bild" und heute Leiter des Politikressorts bei RTL. Dort hatte Blome die aktuellen Vorwürfe als "politisch bedrohlich" für Baerbock kommentiert. Seine Redaktion habe sich auch deshalb und nur "nach journalistischen Kriterien" dafür entschieden, über das Thema zu berichten.
Merkel in den Medien
Fernsehauftritte der Bundeskanzlerin, wie der bei "Anne Will" am Sonntag, sind äußerst selten. Ihre Medienpräsenz hat Merkel in vielen Jahren sehr kontrolliert dosiert. Es wäre besser, sie träte öfter auf, meint RTL-Politikchef Nikolaus Blome.
Mit dem Begriff der "Kampagne" könne er deshalb "wenig anfangen", weil sich zwei Lager häufig gegenseitig beschuldigten, eine Kampagne zu betreiben, so Blome.
Es gebe eine andauernde Berichterstattung über Annalena Baerbock, weil diese Kanzlerin werden wolle. Als Spitzenkandidatin der Grünen stehe die 40-Jährige "natürlich neu auf dieser Form von grell ausgeleuchteter Bühne". Bei ihren Kontrahenten Armin Laschet (CDU) und Olaf Scholz (SPD) sei das schon länger der Fall.
Bei der Bewertung, ob ein Thema geeignet ist oder nicht, "steht an allererster Stelle der Inhalt dessen, was der Vorwurf ist", sagt Blome. Ob die Quelle für Enthüllungen möglicherweise interessengesteuert sind, sei erst der zweite Schritt, müsse aber auch geklärt werden.