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Berichterstattung über Gewalt an Frauen
Mord ist Mord ist Mord

Bei Gewaltverbrechen in Familien – meist von Männern an Frauen – sprechen Medien häufig von "Beziehungsdrama", "Eifersuchtstat" oder "Tragödie". Damit würden die Taten aber verharmlost, so lautet seit Jahren die Kritik an dieser Praxis. Doch langsam tut sich auch in deutschen Redaktionen etwas.

Katharina Göpner im Gespräch mit Bettina Köster / Text von Michael Borgers |
"Nein zu Gewalt an Frauen und Mädchen #Gegen Gewalt" steht auf einem Aufkleber auf einer Straßenlaterne.
"Nein zu Gewalt an Frauen und Mädchen #Gegen Gewalt" (picture alliance/dpa/Wolfram Steinberg)
"Ehemann tötet seine Frau und dann sich selbst", so titelte diee Zeitung Stadtspiegel Kamen am 11. November, darüber die Dachzeile: "Schreckliches Beziehungsdrama in Mehrfamilienhaus".
Nachdem in Österreich ein Familienvater seine Ehefrau und seine zweijährige Tochter mit einem Messer ermordet hatte, schrieb die "Bild" am 27. Oktober von einer "Familientragödie".
Zwei Tage davor, am 25. Oktober, hieß es im Kölner "Express" über eine ähnlich Tat in Limburg: "Beziehungsdrama".
Berichterstattung über drei Fälle, das Ergebnis einer schnellen Online-Recherche. Drei Beispiele, die zeigen, wie noch immer über Gewalt an Frauen berichtet wird in Deutschland.
Über ein Thema, dessen Ausmaß Bundesfamilienministerin Franziska Giffey heute - am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen - noch einmal dargestellt hat: 114.000 Frauen wurden alleine hierzulande im vergangenen Jahr Opfer von Gewalt in ihrer Partnerschaft. 122 starben an den Folgen dieser Gewalt. Sie wurden Opfer von Mord oder Totschlag.
Sprache, die relativiert und verharmlost
Wenn Medien dann von einem "Beziehungsdrama" oder einer "Familientragödie" schreiben, sei das "relativierend und verharmlosend", kritisiert Katharina Göpner vom Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Was tatsächlich geschehen sei, würde so nicht sichtbar gemacht. "Es wird nicht gesagt, es geht um Gewalt gegen Frauen", sagte Göpner dem Deutschlandfunk.
Es gebe aber auch Fortschritte zu vermelden - so wie den neuen Kurs der Deutschen Presse-Agentur (dpa), Deutschlands größter Nachrichtenagentur.
dpa ändert Formulierungen
Vor Kurzem erst hat die dpa bekanntgegeben, künftig nicht mehr Begriffe wie "Familientragödie" oder "Beziehungsdrama" zu verwenden.
"Drama und Tragödie rücken Mord und Totschlag in die Nähe eines schicksalhaften Geschehens, in dem Opfer- und Täterrolle zu verschwimmen scheinen: Ist der Täter nicht auch irgendwie Opfer (etwa einer zerrütteten Beziehung) - und hat das Opfer daher nicht auch Anteil an der Tat?", erklärte auf Twitter dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger.
Zudem setze die dpa auch Begriffe wie "Sex-Täter", "Sex-Attacken" und ähnliche "euphemistische Umschreibungen sexualisierter Gewalt" auf den Index.
"Ein riesiger Schritt"
Der Schritt der dpa sorgte für überwiegend positive Reaktionen. So sprach der Verein Gender Equality Media, eine Initiative gegen medialen Sexismus, von einem "riesigen Schritt".
Andere, wie der Journalist Hans-Günter Kellner, verwiesen darauf, wie lange es gebraucht habe, bis sich diese Praxis auch in Deutschland endlich ändere; in anderen Ländern sei das längst üblich.
"Die Macho-Gewalt schlägt wieder doppelt zu"
Ein Beispiel, welche Folgen ein anderer, geübterer Umgang mit Sprache haben kann: In Spanien, wo Kellner arbeitet, hat Ende April 2019 ein Deutscher mutmaßlich seine Frau und seinen Sohn ermordet. Damals twitterte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez: "Die Macho-Gewalt schlägt wieder doppelt zu."
Das Männliche an einer Tat derart zu betonen - in Deutschland ist das noch unüblich. Stattdessen war im Artikel der dpa über die Tat damals noch die Rede von "Familiendrama" und "Familientragödie".