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Berichterstattung über Impfkampagne
Debatte "sensationell übertrieben"

Desaster, Chaos, Debakel - so kritisch über die Impfkampagne zu urteilen, sei "das gute Recht von Medien", sagte der Medienwissenschaftler Hektor Haarkötter im Dlf. Die Berichterstattung einiger Medien findet er jedoch aufgeregt und übertrieben. Man könne langfristige Entwicklungen nicht kurzfristig kritisieren.

Hektor Haarkötter im Gespräch mit Brigitte Baetz |
Ärztin Conny Mauruschat hält im Zentrum für das Impfen gegen Corona in der Metropolishalle des Filmparks Babelsberg eine Flasche Pfizer-Biontech Covid-19.
Die Debatte rund um die Corona-Impfstoff-Beschaffung und -Verteilung ist im vollen Gange (picture alliance / dpa-Zentralbild / Soeren Stache)
Der Kampf gegen die Corona-Pandemie geht in die entscheidende Phase: Das Impfen. Offizieller Impfstart in Deutschland war der 27. Dezember. Seitdem werden die priorisierten Personengruppen geimpft.

Fortschritt der Impfungen

Kurz nach Beginn wurde bereits Kritik an der Impfkampagne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) laut. Beispielsweise bemängelten einige Bundesländer die Verteilung der Wirkstoffe. Auch aus der SPD kommt mehr und mehr Kritik - sogar die Forderung nach einem Untersuchungsausschuss steht im Raum.
Anke Döring, Internistin im Städtischen Klinikum Dresden, hält im Impfzentrum für Mitarbeiter ein Injektionsfläschchen mit dem Impfstoff gegen Corona in den Händen. Am Montag haben die Corona-Impfungen mit dem Impfstoff von Biontech/Pfizer im Städtischen Klinikum für medizinisches Personal in den Hochrisikobereichen und den Covid-19-Stationen begonnen.
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"Desaster" und "Frust" bei "Bild"

Und nicht nur aus der Politik kommt Kritik, auch Medien beleuchteten das Impfgeschehen kritisch. Vor allem die "Bild" wird in der Debatte um das Impfen in Deutschland laut: Das Boulevardblatt will ein "Impf-Desaster" (Titel vom 4.1.) aufgedeckt haben und apelliert an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): "Kanzlerin, so darf es 2021 nicht weitergehen!" (Titel vom 31.12.). Einen "großen Impf-Frust" erkennt auch die "Bild am Sonntag" (3.1.). Kaum eine Schlagzeile kommt ohne Begriffe wie Chaos, Debakel und Desaster aus.
Ein Mann wird in Sindelfingen einem Altenpflegeheim von einem Mitglied eines Mobilen Impfteams des Klinikum Stuttgart mit einer Dosis eines Covid-19 Impfstoffes geimpft.
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Kritische Einordnung und Urteile seien "das gute Recht von Medien", meint Hektor Haarkötter. Er ist Professor für Kommunikationswissenschaft mit Schwerpunkt Politische Kommunikation an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg.
Jedoch habe er bei der aktuellen Berichterstattung einiger Medien den Verdacht, dass bei der aufgeregten Berichterstattung analog zum sogenannten "Sommerloch" ein "Winterloch" eine Rolle spiele. Die Berichterstattung gehe in Richtung "Impfotainment".

"Langfristige Entwicklung nicht kurzfristig kritisieren"

"Ich würde immer raten, die Situation erst einmal gelassener zu betrachten", sagte Haarkötter im Dlf. Das Impfen sei gerade erst gestartet. "Vielleicht sollte man dem Ganzen ein paar Wochen Zeit geben". Der Kommunikationswissenschaftler rät dazu, eine langfristige Entwicklung die Impfkampagne nicht kurzfristig zu kritisieren - "da gilt das Gebot der Fairness".
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