Im Bericht zweier dpa-Autoren stand unter anderem: "Israels Premierminister und politischer Unruheherd im Nahen Osten ist für die Amerikaner geliebter Feind und gehasster Freund zu gleichen Teilen." Diese Textstelle hatte der "Bild"-Journalist Björn Stritzel auf Twitter aufgegriffen und dort großen Widerhall gefunden.
Zudem stand im Text über das Erfolgsrezept des neuen US-Präsidenten: "Trump, von einflussreichen jüdischen Parteispendern auf den Thron gehoben, hat eine Totalumkehr in der Nahost-Politik versprochen." Eine Einordnung, die Kritiker als unlautere Vereinfachung der Sachlage beziehungsweise als Verfälschung der Tatsachen sehen.
"Eindruck einer Weltverschwörung des Finanzjudentums"
Der in Israel lebende Nahost-Korrespondent Ulrich W. Sahm - unter anderem tätig für den "Weser-Kurier", n-tv und die "Hannoversche Allgemeine" - schrieb in einem Online-Artikel: "Dieser Satz und die nachfolgende Aufzählung einflussreicher jüdischer Millionäre verstärkt den Eindruck einer Weltverschwörung des Finanzjudentums, das mit seinem Reichtum die amerikanische Politik lenkt." Dass der nichtjüdische Trump selbst Multimilliardär sei, werde nicht erwähnt.
Hinter dem häufig von Antisemiten missbrauchten Mythos der "jüdischen Weltverschwörung" steht die Annahme, dass "die Juden" sich gegen die restliche Menschheit verschworen hätten und die Weltherrschaft anstrebten. "Die Juden" werden dabei als Kollektiv wahrgenommen und ihnen wird unterstellt, stets als solches zu handeln (Erklärung der Bundeszentrale für politische Bildung).
Weiter kritisierte Sahm am dpa-Bericht, dass zwar explizit erwähnt werde, dass Trumps Schwiegersohn und Berater "Spross einer strenggläubigen jüdischen Familie" sei, aber nicht darauf eingegangen werde, wie strenggläubig katholische, protestantische oder sonstige Mitarbeiter Trumps seien.
Die dpa reagierte auf die erste Kritik des Bild-Journalisten Stritzel mit einer Ankündigung einer Überarbeitung des Artikels, die die Nachrichtenagentur dann auch acht Stunden nach der ursprünglichen Fassung versendete.
In Neufassung einige umstrittene Passagen gestrichen - aber nicht alle
Darin sind die Beschreibung Netanjahus als "geliebter Feind und gehasster Freund" Amerikas und der Verweis auf die Hilfe jüdischer Parteispender, die Trump angeblich "auf den Thron" gehoben hatten, gestrichen.
Andere Passagen, die der Nahost-Korrespondent Sahm für kritikwürdig erachtet, wie der Verweis auf Kushners strenggläubige Wurzeln, wurden nur leicht abgeändert. Kushner wird in der Neufassung nicht mehr als "Spross" bezeichnet, der neue Satz lautet: "Eine nicht unwichtige Rolle dürfte auch Trumps Berater und Schwiegersohn Jared Kushner spielen, der aus einer strenggläubigen Familie stammt."
Bedauern bei der dpa
Am Ende der Neufassung schrieb die dpa: "Einige Passagen wurden überarbeitet und sprachlich neu gefasst. Sie entsprachen zum Teil nicht den dpa-Standards."
Gegenüber dem Europakorrespondenten der "Jerusalem Post", Benjamin Weinthal, hatte ein dpa-Sprecher eingeräumt, dass der Text so nicht hätte veröffentlicht werden sollen und dass man dies bedaure. Die Ursprungsfassung ist - zumindest zu Teilen - jedoch noch immer in der Welt, unter anderem beim "Trierischen Volksfreund" und "Focus Online". Auf die Berichte der Deutschen Presse-Agentur hat eine Vielzahl der Medien in Deutschland Zugriff, ihre Informationen und Recherchen finden in der Berichterstattung anderer Redaktionen Niederschlag. Regionale und Lokalzeitungen ohne eigenes Korrespondenten-Netzwerk übernehmen Berichte der dpa häufig wortgleich.
Die "Jüdische Allgemeine" räumt der umstrittenen Berichterstattung eine besondere Position ein.
(vic/nin)