Seit die "Friday’s For Future"-Demos in Deutschland im Lauf des Jahres 2019 Fahrt aufgenommen haben, scheint vielen deutschen Medien eine Lücke in ihrer Berichterstattung bewusst geworden zu sein. Seitdem sprießen immer mehr Angebot zum Thema "Klima" aus dem Boden.
Die "SZ" hat den Newsletter "Klimafreitag" gestartet, Podcasts wie "Klimazentrale" vom SWR, "Mission Energiewende" von detektor.fm oder "1,5 Grad – der Klimapodcast mit Luisa Neubauer" von Spotify widmen sich dem Problem Klimawandel. Das Online-Magazin "Klimareporter" beschäftigt sich schon seit 2008 mit Klimaschutz und Energiewandel – anfangs noch unter dem Namen "Klimaretter.info", seit 2018 mit neuem Namen und in neuer Aufmachung.
Thema Klimawandel "stiefmütterlich behandelt"
Und erst kürzlich hat der WDR hat mit "klima.neutral" einen Instagram-Kanal zum Thema gestartet, der den Unmut von FDP- und CSU-Politikern auf sich gezogen hat, die in der reinen Beschäftigung mit der Klimakrise eine Wahlkampfhilfe für die Grünen sehen.
Trotz dieser Vielzahl von Angeboten sieht der Journalist Lorenz Matzat allerdings noch Verbesserungsbedarf, was die Berichterstattung in deutschen Medien angeht. Der aktuelle Umgang mit der Klimakrise in der Gesellschaft und im Journalismus scheine ihm nicht angemessen, so Matzat in seinem neuen Newsletter "Klimajournalismus.de", der diese Woche gestartet ist und monatlich erscheinen soll.
"Der Klimawandel wird immer noch sehr stiefmütterlich behandelt, als Teil des Wirtschaftsjournalismus. Wir müssen uns aber systematischer damit auseinandersetzen", so Matzat im Gespräch mit @mediasres. Dem Journalisten fehlt beim Thema Klimawandel unter anderem die Dringlichkeit: "Wenn wir wüssten, dass in 20, 30 Jahren regelmäßig ein Schwarm von Meteoriten auf der Erde einschlagen würde, dann wäre wahrscheinlich einiges mehr los in der aktuellen Berichterstattung: Wie gehen wir damit um? Wie bereiten wir uns vor? Und den Eindruck habe ich beim Thema 'Klimawandel' nicht wirklich."
Klimajournalismus "analytisch flach"
Matzat führt diese mangelnde Dringlichkeit auch darauf zurück, dass der Journalismus meist zwischen Interessensgruppen und Vorgängen stehe, was verhandelbar sei - die Zukunft sei nicht geschrieben. Der Klimawandel sei allerdings ein Phänomen, das sicher eintreten werde und auf das man in den nächsten Jahren kaum noch dämpfend einwirken könne. Damit sei die Klimakrise "ein Player, der nicht verhandelbar ist, aber alles beeinträchtigt, was in der kommenden Zeit geschehen wird". Darauf sei der aktuelle Journalismus nicht vorbereitet, weil er nicht wisse, wie er mit solchen Playern umgehen könne.
Das gelte laut Matzat allerdings nicht nur für Journalismus, sondern für die gesamte Gesellschaft und die etablierte Politik. Die stehe dem Klimawandel hilflos gegenüber, weshalb sie auch so zaghaft handele. In seinem ersten Newsletter schreibt er:
"Im Kapitalismus war über Jahrhunderte lang das Klima keine Größe und damit kam sein Umweltverbrauch als Kostenfaktor nicht vor. Die ihm innewohnenden Bereicherungsmechanismen, die zwangsläufig Ausbeutung und Ungleichheit hervorbringen, sind kein Thema. So bleibt auch Journalismus zum Klimawandel oft analytisch flach und wirkt hilflos. Weil er seinen blinden Fleck nicht erkennen kann, ihn aber doch immer umschiffen muss: Der menschengemachte Klimawandel geht ursächlich auf das rücksichtslose Wirtschaftssystem zugunsten des konsumorientierten Lebenswandels der Einwohner*innen der westlichen Industriestaaten zurück."
Für Matzat hängt Klimajournalismus also direkt mit einer Kritik des Wirtschaftssystems zusammen. Aber: "Das Wirtschaftssystem in Frage zu stellen, findet nicht statt", so Matzat im Dlf.