Es ist eine Formulierung, wie gemacht für Twitter, wo täglich über die Arbeit von Medien diskutiert wird: "Disziplinierung der Presse", zwischenzeitlich Trendthema Nummer eins in dem sozialen Netzwerk. Hintergrund war, wie so oft, eine journalistische Recherche.
Das "Handelsblatt" hatte auf der Seite des Bundeswirtschaftsministeriums von Peter Altmaier ein Positionspapier des Beirats "Junge Digitale Wirtschaft" entdeckt. Dieses Gremium berate das Ministerium "aus erster Hand zu aktuellen Fragen der digitalen Transformation", erklärt das BMWi an anderer Stelle. Genau das macht das Papier so brisant.
Denn die Vertreter der Gründerszene fordern unter anderem die "Gewährleistung einer ausgewogenen Berichterstattung über Börsengänge". Die Presse müsse etwa zur Berichterstattung auch über "kleinere IPOs", also Börsengänge, verpflichtet werden, heißt es in dem Papier. Es brauche eine "Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information".
Breite Kritik an Papier
"Völlig absurde Forderungen", kommentierte der Deutsche Journalisten-Verband die "Handelsblatt"-Recherche. Auch andere Journalistinnen und Journalisten äußerten sich verwundert auf Twitter in Richtung Peter Altmaiers.
Der CDU-Minister hatte da bereits reagiert und erklärt, "Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir verpflichtet sind". Weder sei ihm das Positionspapier bekannt gewesen noch die Veröffentlichung auf der Ministeriumsseite. Er habe die "umgehende Entfernung angeordnet".
Auch die "Junge Digitale Welt" selbst hat sich mittlerweile von ihrem Papier distanziert. "Das ist natürlich Kokolores und nicht die Position des Beirats", erklärte im Portal LinkedIn Christian Vollmann, Vorsitzender des Beirats. Es habe sich nur um "eine vorläufige Arbeitsposition" gehandelt.
Doch auch, wenn das Papier nicht zur Veröffentlichung gedacht war, wirft es ein Schlaglicht darauf, wie sich Teile der Gründerszene medial ungerecht behandelt fühlen. Und hier gibt es auch unter Journalistinnen zum Teil unterschiedliche Wahrnehmungen.
"Zum Teil eher zu positive Berichterstattung"
Gerade bei Start-ups gebe es eine "zum Teil eher eine viel zu positive Berichterstattung", beobachtet Larissa Holzki, Autorin der aktuellen Recherche und beim "Handelsblatt" auch sonst für das Technologie-Unternehmen und Start-Ups zuständig.
Bei Jungunternehmen erlebe sie "oft die Erwartung, Pressemitteilungen herauszugeben und die quasi eins zu eins veröffentlicht zu sehen", sagte Holzki gegenüber dem Deutschlandfunk – und bestenfalls noch genau zu der Uhrzeit, die dem PR-Team am besten passe. "Und das ist natürlich überhaupt nicht die Aufgabe der Presse."
Hinzu komme, dass Start-ups häufig bestimmte Informationen nicht freigeben würden, beispielsweise die zu Umsätzen. "Das ist ihr gutes Recht, aber dann müssen wir manchmal auch entscheiden, lieber nicht zu berichten."
Die Aufgabe von Wirtschaftsredaktionen sei es, Geschäftsmodelle einzuschätzen und dabei "auch die Spreu vom Weizen zu trennen". Nicht jedes Start-up werde erfolgreich sein. "Wenn wir über jedes Start-up überpositiv berichten, dann verliert ja die ganze Branche ihre Glaubwürdigkeit. Ich glaube, dass eine kritische Berichterstattung für die Entwicklung von Start-ups und den Wirtschaftsstandort Deutschland unheimlich wichtig ist."
"Oft ein bisschen einseitig"
Es sei wichtig, bei jungen Unternehmen kritisch hinzuschauen, findet auch die freie Wirtschaftsjournalistin Katja Scherer, die unter anderem für den Deutschlandfunk arbeitet. Doch teilweise könne sie die in dem Papier geäußerte Kritik der Start-ups verstehen, sagte Scherer im Deutschlandfunk.
Beispielsweise würden die Themen Technologie und Innovation "in deutschen Medien tendenziell negativ dargestellt", findet Scherer. "Und weil Start-ups ja gerade in diesen Bereichen unterwegs sind, trifft die das natürlich auch." So würden etwa in der Berichterstattung über Künstliche Intelligenz (KI) Fragen nach Risiken oder Arbeitsplatzverlusten in den Vordergrund gestellt und weniger thematisiert, dass KI auch eine Chance sein könne.
Berichterstattung über Start-ups erlebt die Wirtschaftsjournalistin zudem oft als "ein bisschen einseitig". Dann gehe es etwa "um große Finanzierungsrunden, nach dem Motto 'Unternehmen XY hat so und so viel Millionen abgesahnt'", so Scherer. So entstehe ein falsches Bild und "der Irrglaube, dass man als Gründer mit einer guten Idee mal schnell reich werden kann".