Interviews in Print, Online und Rundfunk, ein eigener Podcast, der vordere Ränge in den Abrufcharts belegt – Christian Drosten ist seit einigen Wochen medial allgegenwärtig. Der Leiter der Virologie im Berliner Charité klärt auf, seit das Corona-Virus Deutschland erreicht hat, unaufgeregt und verständlich, dennoch klar und deutlich. Das schätzen Medien, das schätzen Leserinnen und Zuhörer.
Die Folgen der (bis zum 30. März) bislang 24 Folgen vom "Das Coronavirus-Update mit Christian Drosten", dem Podcast im NDR, lauten "Wir können die Ausbreitung verlangsamen", "Panik ist unangebracht" – oder, aktuell, "Wir müssen weiter geduldig sein".
Auch in dieser Ausgabe spricht Drosten zunächst über allgemeine Fragen. Er beschreibt, warum es in Deutschland bislang vergleichsweise wenig Tote gegeben hat ("Eine erste Kohorte, die eingeschleppt wurde, sind überbetont jüngere Leute."), warnt, dies könne sich bald ändern ("Wir werden auch ein Ansteigen der berichteten Fallsterblichkeit sehen.").
Mit seinen bislang beschlossenen Maßnahmen befinde sich Deutschland noch in einer "Einübungsphase", nun müsse es darum gehen, diese Ruhe zu nutzen. Doch diese Zeit sieht der 48-Jährige auch durch Medien gefährdet.
"Ich sehe mich selber als Comicfigur gezeichnet"
Medien würden ein falsches Bild vermitteln, findet Drosten: "Ein Wissenschaftler ist kein Politiker, die Wissenschaft hat kein politisches Mandat." Dennoch werde weiterhin das "Bild des Entscheidungen treffenden Wissenschaftlers in den Medien produziert". Diese Entwicklung habe einen Punkt erreicht, "wo die Wissenschaft demnächst in geordneter Weise den Rückzug antreten muss, wenn das nicht aufhört".
Beispielsweise malten Zeitungen inzwischen Karikaturen von Virologen, er selbst sehe sich "als Comicfigur gezeichnet". Es mache ihn wütend, "wie hier Personen für ein Bild missbraucht werden, das Medien zeichnen wollen, um zu kontrastieren".
So würde versucht, etwa in Talkshows eine Rivalität unter Wissenschaftlern zu provozieren. Das zeige, "dass es unserer Gesellschaft immer noch ziemlich gut geht". Medien würden immer noch von einem Niveau ausgehen, "auf das sie was oben draufsetzen wollen, von gesellschaftlicher Unzufriedenheit".
"Öffentlichkeit kann karriereschädigend sein"
Medien sollten sich klarmachen, "wie ihre Verantwortung ist", fordert Drosten. Denn Wissenschaftler müssten sich eigentlich nicht "exponieren" in der Öffentlichkeit. "Ich brauche das nicht, es gibt kein Erfolgsmaß in der Wissenschaft in Form von Podcasts oder Twitter-Followern."
Im Gegenteil sei es für Wissenschaftler "wirklich karriereschädigend, sich zu sehr in die Öffentlichkeit zu begeben", wo es darum gehe, "Dinge zu simplifizieren". Er mache es dennoch, weil er sich "genau in diesem engen Forschungsfeld seit so langer Zeit schon bewege, dass ich weiß, dass ich frei und weitgehend über das weitere Themenumfeld dieses Problems sprechen kann".