Wer am 26. Mai seine Stimme bei der Europawahl abgibt, entscheidet damit nicht nur über die künftige Zusammensetzung des Europaparlaments, sondern indirekt auch über den künftige Vorsitz der EU-Kommission. Trotzdem sind Margrethe Vestager, Frans Timmermans, oder etwa Ska Keller, die auch für den Posten kandidieren, den wenigsten ein Begriff.
In der Berichterstattung geht es hauptsächlich um Manfred Weber, CSU-Politiker und Spitzenkandidat des konservativen Parteienbündnis im Europaparlament EVP.
Popularitätsvorsprung: Manfred Weber (EVP) ist ein Deutscher
"Das hängt ganz stark damit zusammen, dass Manfred Weber ein Deutscher ist", glaubt Alexander Hagelüken, Leitender Redakteur der "Süddeutschen Zeitung". Seine Kandidatur sei deswegen auch bei innenpolitischen Debatten immer wieder Thema. Das verschaffe ihm in den Medien einen Popularitätsvorsprung.
Außerdem seien die Spitzenkandidaturen noch ein relativ neues Phänomen, so der SZ-Journalist, deswegen sei die Berichterstattung dazu noch nicht richtig eingespielt.
Erst seit 2014 ist für die Wahl zum EU-Kommissionsvorsitzenden auch eine Kandidatur als Spitzenkandidatin oder Spitzenkandidat bei der Europawahl üblich.
Über die deutsche Spitzenkandidatin der Grünen, Ska Keller, wird kaum berichtet
Das hingegen etwa über die deutsche Spitzenkandidatin der Grünen-Fraktion im Europaparlament, Ska Keller, kaum berichtet würde, hinge mit ihrem geringen Chancen auf den Posten zusammen. Die Parteiengruppe der Grünen, der sie angehört, sei zu klein, so Hagelüken. Aus diesem Grund würde sie auch in der Berichterstattung weniger erwähnt.
Insgesamt sei die Europawahl viel wichtiger als viele Deutsche glaubten, meint der SZ-Journalist. Themen wie Klimaschutz, das Vorgehen gegen US-amerikanische Digitalkonzerne, oder auch die Ordnung des Welthandels seien lange schon keine nationalen Themen mehr, sondern würden international und insbesondere auch auf europäischer Ebene entschieden. Deswegen sei es auch wünschenswert, dass "möglichst breit über die Spitzenkandidaten und über ihre Ziele berichtet wird."
Der Handlungsbedarf läge aber auf beiden Seiten, meint Hagelüken, bei Medien und bei Medienkonsumierenden. "Man muss ganz ehrlich sagen, dass Interesse der Medienkonsumenten an Europathemen ist oft nicht so groß", meint Hagelücken. Die Medien berichteten deswegen leider weniger über Europa als sie es tun sollten. Das habe vor allem auch ökonomische Hintergründe: "Die Medien sind eben auch Wirtschaftsunternehmen und richten sich natürlich auch nach dem, was die Konsumenten wollen." Für Zeitungen, die sich über Werbung und Verkaufszahlen finanzieren und nicht wie öffentlich-rechtliche Medien über Beiträge, sei das ein entscheidender Faktor.
Die Berichterstattung über die Europawahl habe sich aber schon gebessert, meint Hagelüken. Auch weil die einzelnen Medienmitarbeitenden selbst mehr erkannt hätten, welche Bedeutung Europa hat.
Zudem sei "die Öffentlichkeitsarbeit der Europäischen Union besser geworden", auch das habe einen wichtigen Beitrag geleistet.
Generell sei es wichtig, dass die Bürger möglichst viel wüssten, bevor sie zur Europawahl gingen. Auch damit sie diese nicht wie in der Vergangenheit schon oft als Protestwahl missbräuchten, so Hagelüken.
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