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Berlin Art Week
Aufbruchscharme und Freiheitsversprechen

Heute Abend eröffnet die achte Berlin Art Week – viele Ausstellungen umkreisen das Thema „30 Jahre Mauerfall“ und gehen der Frage nach, wie Berlin sich als Kunststadt seit 1989 verändert hat. Daneben werden "Körper gelesen" und Tattoos gestochen.

Marie Kaiser im Gespräch mit Ina Plodroch |
Im Rahmen der Berlin Art Week fährt der Künstler Daniel Chluba in roter Kleidung auf einem roten Fahrrad mit einer großen roten Kiste auf dem Rücken durch die Stadt.
Berlin Art Week / Künstler Daniel Chluba (dpa /Jörg Carstensen)
Im vergangenen Jahren kamen 120.000 Besucherinnen und Besucher zur Berlin Art Week - und auch in diesem Jahr haben sich Museen, aber auch Galerien, Projekträume und private Sammler wieder zusammengetan und zeigen bis Sonntagabend neue Ausstellungen in der ganzen Stadt. Dieses Jahr gibt es auch erstmals ein Rahmenthema: 30 Jahre Mauerfall.
Klassische Ausstellungen und experimentelle Konzepte
Allerdings handelte es sich bei der diesjährigen Ausgabe der Art Week nicht um ein monothematisches Event, sagte Kulturjournalistin Marie Kaiser. "Bei so umfangreichen Programm geht’s zwangsläufig auch wild durcheinander." Klassische Malereiausstellungen wechselten sich mit experimentellen Konzepten ab. "Im Haus der Kulturen geht es um Körper und wie wir andere Menschen über Körper lesen", so Kaiser. Bei der Kunstaktion "Human Rights Tattoo", wird die Erklärung der Menschenrechte einmal komplett auf menschliche Körper tätowiert. "Bei der Art Week werden Freiwillige gesucht, die sich jeweils einen Buchstaben der Menschenrechte als Tattoo stechen lassen möchten", sagte Kaiser.
Das Thema "30 Jahre Mauerfall" werde aber immer wieder umgesetzt, zum Beispiel in der Ausstellung "Durch Mauern gehen" im Martin Gropius Bau. Ein perfekter Ort für die Ausstellung, so Kaiser. Das Gebäude steht selbst direkt an der ehemaligen Grenze. "Wer aus dem Fenster schaut, der sieht sogar ein Reststück der Berliner Mauer, und da sind dann eben 28 internationale Künstlerinnen und Künstler versammelt, denen es nicht nur um sichtbare Mauern geht, sondern auch um unsichtbare. Mauern in unseren Köpfen, aber auch Mauern, die auf den ersten Blick wunderschön aussehen, wie zum Beispiel das Mittelmeer", so Kaiser.
Verspielt und hedonistisch
In vielen Ausstellungen ginge es außerdem um die Frage, wie die Stadt sich seit 1986 verändert habe. Mal nähere man sich eher verspielt und hedonistisch dem Thema, zum Beispiel in Form einer Fotoausstellung über die Berliner Clubszene mit dem Titel "No Photos on the Dancefloor". "Es gibt aber auch ganz ernste Ausstellungen, die Themen wie Gentrifizierung oder Verdrängung angehen, denn es gibt immer weniger Platz zum Wohnen und weniger Arbeitsräume für Künstler in Berlin", sagte Marie Kaiser. Damit beschäftigt sich die Ausstellung "Politik des neuen Raums" im neuen Berliner Kunstverein.
Neuer Kunstort
Darüber hinaus kann man auch einen neuen Berliner Kunstort entdecken: Am Berliner Alexanderplatz steht ein riesiger 60er-Jahre-Klotz. "Das ist das ehemalige 'Haus der Statistik' der DDR", so Kaiser. Auf dem Haus prankt in großen, weißen Buchstaben auf dem Dach das Motto: "Das steht nicht Alexanderplatz, sondern ‚Alles-anders-Platz‘", sagte Kaiser. "Im Haus selbst gibt es Bienenstöcke zu sehen, in denen Bienen Kryptowährung herstellen – Beecoin statt Bitcoin. Das ist ein Ort, der Mitten in der Stadt die Hoffnung macht, dass es auch in Berlin im Jahr 2019 noch Freiräume geben kann, die sich mitten in der Stadt ergeben, wo so ein bisschen dieser Aufbruchscharme und dieses Freiheitsversprechen für das Berlin ja bekannt ist als Kunststadt wieder aufleuchtet", sagte Marie Kaiser.