Meine Lieblingsstrecke – auf dem Fahrrad – startet auf dem Victoria-Luise-Platz im Bayerischen Viertel in Schöneberg, 1899 angelegt in Form eines lang gestreckten Sechsecks, benannt nach Viktoria Luise von Preußen. In der Mitte befindet sich eine etwa sechs bis acht Meter in die Höhe schießende Fontäne, an einer Seite Kolonnaden, an der anderen Seite der U-Bahn-Eingang. Rund um den Platz stehen dunkle hohe Linden, in zweiter Reihe dann sanierte Gründerzeithäuser, im Erdgeschoss Restaurants und Cafés. Ein entspannter Ort im Sommer!
Die Fahrt geht weiter über die Martin-Luther-Straße, den Lützowplatz, über den Landwehrkanal, links die CDU-Parteizentrale, rechts fahre ich vorbei am aserbaidschanischen und chinesischen Kulturzentrum, dann die Konrad-Adenauer-Stiftung. Am Ende der Straße ein großer Kreisverkehr, in der Mitte die Siegessäule. Das Monument – mit der acht Meter 30 hohen vergoldeten, geflügelten Siegesgöttin an der Spitze, erinnert an die Siege Preußens gegen Dänemark, Österreich und Frankreich.
Plötzlich ist der Großstadt-Verkehrslärm weit weg
Dann geht es in den Tiergarten – plötzlich ist die Stimmung eine ganz andere, der Großstadt-Verkehrslärm weit weg, es riecht nach feuchter Erde, die Temperatur fällt ab, ich fahre im Schatten von Buchen und Eichen, kann tief durchatmen. Kaum vorstellbar, dass der Tiergarten im Zweiten Weltkrieg fast komplett zerstört war, von ehemals 200.000 Bäumen standen noch 200, die Berliner nutzten nach Ende des Zweiten Weltkriegs den Tiergarten zum Beispiel zum Anbau von Kartoffeln, um ihre Hungersnot zu lindern.
Hinüber zur Spree, vorbei am Haus der Kulturen der Welt (schöner Biergarten!), dann vor mir das Bundeskanzleramt. Dort sitzt an der Spree morgens oft ein Angler, ein Russlanddeutscher namens Michael Tiefbenkel. "Hier ist die Luft so frisch und rein," sagt er in gebrochenem Deutsch. Und: "Merkel hat immer viel Besuch."
Unter der Moltkebrücke durch, an einer Strandbar vorbei, dann ein kleiner Spurt eine Rampe hoch, kurz vor dem Ziel, dem Haus der Bundespressekonferenz in die Straße eingelassen eine Doppelreihe Kopfsteinpflaster. Diese Linie markiert den Verlauf der Berliner Mauer – und erinnert dezent, nicht aufdringlich daran, dass vor 30 Jahren hier alles ganz anders aussah.