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Berlin-Friedrichshain
Kein Pardon für Hausbesetzer

In Berlin-Friedrichshain gibt es seit Wochen gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Linksautonomen. Grund ist die Teilräumung eines besetzten Hauses. Gestern erklärte das Landgericht die Teilräumung für rechtswidrig. Aber Bundesinnenminister Thomas De Maiziere stellt sich dennoch hinter den Berliner Innensenator.

Von Kemal Hür |
    Polizisten vor einem Haus mit Graffiti
    Die Rigaer Straße 94 (imago / Christian Mang)
    Es ist ungewöhnlich, dass sich der Bundesinnenminister zu Angelegenheiten in Bezirken äußert. Thomas De Maiziere kommt aber seinem CDU-Parteikollegen, dem Berliner Innensenator Frank Henkel, jetzt zur Hilfe. In einem Zeitungsinterview sagt der Bundesinnenminister, Gewalt gegen Polizei sei nicht zu akzeptieren. Dagegen müsse mit Härte vorgegangen werden. Es gebe nichts zu verhandeln. Worte, die sich mit der Haltung von Frank Henkel decken. Er wiederholte gestern:
    "Da bleibe ich bei meiner Haltung. Ich wüsste gar nicht, mit wem ich das Gespräch führen sollte."
    Räumung ohne Räumungsbescheid
    Für diese ablehnende Haltung haben die Anwohner der Rigaer Straße in Berlin-Friedrichshain kein Verständnis. Gestern entschied das Landgericht Berlin die Teilräumung in dem Haus Nummer 94 für rechtswidrig. Dafür habe der Eigentümer bis heute keinen Räumungsbescheid vorgelegt, sagte die Richterin. Henkel steht nun unter Druck. Denn zur Räumung war die Polizei Ende Juni mit 300 Beamten angerückt. Darauf folgten heftige Auseinandersetzungen zwischen Linksautonomen und der Polizei.
    Bei einer Demonstration am letzten Wochenende wurden 123 Polizisten verletzt. Die Zahl der verletzten Demonstranten ist nicht bekannt. Die Anwohner erwarten von Innensenator Henkel nun eine Kurskorrektur. Sie fordern den Abzug der Polizei, die rund um die Uhr vor dem Haus steht; und sie wollen Gespräche.
    "Ohne als Experte in juristischen Fragen mich äußern zu können, würde ich doch vermuten, dass in dem Moment, wo diese Räumung nicht rechtmäßig war und die Polizei dabei unterstützt hat und das weiter tut, sie eigentlich aktiv einen unrechtmäßigen Akt unterstützt. Und das sollte man als Polizei tunlichst schnell abbrechen."
    "Ich denke, sie müssen reden, weil so ein Urteil, da können sie ja nicht drüber gehen."
    "Ich finde, dass wir hier eine Form finden müssen zu deeskalieren."
    Schutz der Bauarbeiten vor Ort zu sichern - ist Henkels Rechtsauffassung
    Henkel will aber nichts davon wissen, dass er ohne einen Räumungsbescheid den Polizeieinsatz anwies.
    "Wir sind gefahrenabwehrrechtlich dort reingegangen - das habe ich in der Vergangenheit immer gesagt -, weil es darum ging, den Schutz der Bauarbeiten vor Ort zu sichern. Das hat die Polizei gemacht. Das ist unsere Rechtsauffassung, das bleibt sie auch. Und deshalb bleibe ich auch bei meiner Auffassung. Ich stehe voll und ganz hinter diesem Polizeieinsatz."
    Rigaer Str. 94 schon seit Anfang der 90er-Jahre besetzt
    Das Haus Rigaer Str. 94 wurde Anfang der 90er-Jahre von jungen Menschen besetzt. Kurz nach der Wiedervereinigung war das nichts Ungewöhnliches in Berlin. Es gab hunderte besetzter Häuser. Heute ist das Haus ein alternatives Wohnprojekt von Linksautonomen.
    Seit der teilweisen Räumung am 22. Juni wird das Haus rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Es fanden bis gestern Personen- und Ausweiskontrollen statt. Das Haus durfte nur von dort angemeldeten Personen betreten werden. Seit gestern Abend sind diese Kontrollen aufgehoben. Die Entscheidung des Landgerichts wurde gestern von Be- und Anwohnern vor Ort gefeiert.
    Die Polizei war mit mehr als zehn Mannschaftswagen vor Ort. Sie wird erst dann vollständig abrücken, wenn ein Gerichtsvollzieher mit einem Vollstreckungsbescheid vor Ort erscheint und den geräumten Teil des Hauses wieder freigibt. Dieser Bescheid wurde gestern dem Anwalt des Eigentümers geschickt. Doch er verweigerte die Annahme. Wie es weiter geht, muss wahrscheinlich ein Gericht entscheiden.