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Berlin-Hohenschönhausen
Neuer Direktor der Gedenkstätte wirbt um Vertrauen

2018 mussten der damalige Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und sein Stellvertreter wegen Sexismusvorwürfen ihre Posten räumen. Jetzt will der neue Leiter Helge Heidemeyer das Vertrauen der Mitarbeitenden zurückgewinnen und ein Arbeitsklima aus "Offenheit und Partizipation" schaffen.

Von Sebastian Engelbrecht |
Das Schild mit der Aufschrift "Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen" hängt in Berlin am Haupttor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Hohenschönhausen. Dort waren zu DDR-Zeiten Untersuchungshäftlinge untergebracht. Vor 20 Jahren, am 1. Juni 1994, begann hier mit den original erhaltenen Zellen und Verhörräumen die Arbeit der Gedenkstätte.
Heidemeyer will verloren gegangenes Vertrauen unter den 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder aufbauen (dpa/Paul Zinken)
Der Mann trägt ein blütenweißes gebügeltes Hemd mit Button-Down-Kragen, ein anthrazitfarbenes Jackett, geschmückt von einem Seiden-Einstecktuch. Mit wachem Blick tritt der 56-jährige Helge Heidemeyer seinem Besucher gegenüber. Geboren in Remscheid, studierte er Geschichte, Politik- und Wirtschaftswissenschaften in Passau und München. Wie wird so einer Direktor der Stasiopfer-Gedenkstätte in Berlin-Hohenschönhausen?
"Ein Teil meiner Familie kommt aus der DDR, hat eine DDR-Biografie. Ich war eigentlich immer in der DDR, alle zwei Jahre würde ich so sagen, habe dann auch eigene Freundschaften in Thüringen geschlossen, da spielte sich das alles so ab, also mein Kontakt war relativ gut."
Helge Heidemeyer, neuer Direktor Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen
Helge Heidemeyer ist neuer Direktor Gedenkstätte (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
Aufgeräumt wirkt der neue Direktor, ein schlanker Mann mit grauer Kurzhaarfrisur und einer braun geränderten Brille. Blickt er aus dem Fenster seines Büros, sieht er das ganze Elend der DDR: Wachtürme, Betonplattenwege, graubraune Fassaden – eben das authentische zentrale Untersuchungsgefängnis in Hohenschönhausen, in dem die Stasi in 40 Jahren 11.000 Menschen einsperrte und quälte. Schon 30 Jahre befasst sich Helge Heidemeyer mit der DDR-Geschichte, erst in seiner Dissertation über Flüchtlinge aus der DDR, dann als Leiter der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager Marienfelde in Berlin, seit 2008 als Leiter der Abteilung Bildung und Forschung der Stasiunterlagen-Behörde.
Umgang mit Altlasten
Als Direktor, auch als Historiker muss er nun mit dieser und einer weiteren Altlast umgehen: dem Skandal der sexuellen Belästigungen von Mitarbeiterinnen durch den früheren stellvertretenden Chef der Gedenkstätte, Helmuth Frauendorfer.
"Ich war erschreckt, als ich in der Öffentlichkeit erfahren musste, dass hier an einem Ort, der für Repression wie kein anderer in der DDR steht, dass hier Macht missbraucht worden war. Das fand ich – ehrlich gesagt – unerträglich. Und genau dem entgegenzuwirken, das ist einer meiner Ansprüche: dass hier ein anderes Klima, eine andere Kultur einziehen kann."
Heidemeyer will Vertrauen zurückgewinnen
In Folge des Skandals mussten Frauendorfer und auch der langjährige Direktor der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, ihr Amt aufgeben. Jetzt will Heidemeyer verloren gegangenes Vertrauen unter den 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wieder aufbauen. Ein Arbeitsklima aus "Offenheit und Partizipation" will der neue Chef schaffen. Er will erreichen:
"Dass auch eben eine Sicherheit da ist, dass Mitarbeiterinnen sich sicher fühlen können, dass solche Dinge gelebt werden. Ich glaube, das ist das Entscheidende."
Vertrauen könne man nicht dekretieren, sagt Heidemeyer. Es sei eine Pflanze, die man "sorgsam pflegen" müsse. Am wichtigsten sei Glaubwürdigkeit.
"Wir können doch glaubhaft nicht an die Besucher unseres Hauses einen Vermittlungsauftrag – nämlich: beschäftigt euch mit dieser schwierigen Vergangenheit des schwierigen Ballasts des DDR-Unrechtsregimes – das können wir doch nicht glaubhaft in unseren Bildungsauftrag umsetzen, wenn wir nicht gleichzeitig glaubhaft machen können, dass wir uns intern im Haus mit den Geschehnissen hier auseinandersetzen."
"Nicht nur Schuldige und Unschuldige"
Schon in den vergangenen Monaten, als Jörg Arndt Interimsdirektor in Hohenschönhausen war, begann ein Prozess, mit dem ein neues Klima im Hause geschaffen werden sollte.
"Es gibt ein Coaching von außerhalb, das sich tatsächlich mit den Vorwürfen beschäftigt, die im Raum stehen hier, die das ganze Haus ja betrifft, die jeden und jede betreffen, die länger da sind. Es ist ja völlig klar, wenn das ein strukturelles Problem ist, dann gibt’s hier nicht nur Schuldige und Unschuldige, sondern alle sind betroffen zumindest, und das muss man ja bearbeiten, verarbeiten."
Ausstellungen, aktuelle Sonderausstellungen und Führungen durch die Gedenkstätte – all das laufe gut, meint Heidemeyer. Was er neu einführen wolle, sei das Miteinander: nämlich "wachsam, sorgsam und aufmerksam" miteinander umzugehen.