Jochen Spengler: Nein hat das Bundesverfassungsgericht gesagt. Berlin hat keinen Anspruch auf weitere Milliarden-Hilfen von Bund und Ländern. Nein, es gibt trotz der 60 Milliarden Euro Schulden keine extreme Haushaltslage, allenfalls einen Engpass, den Berlin aber aus eigener Kraft bewältigen könne. Man müsse eben alle verfügbaren Eigenmittel nutzen, ehe man andere anbettele. Während sich Hessens Ministerpräsident Koch vor einer Stunde in diesem Programm befriedigt über das Urteil äußerte, herrscht in Berlin Enttäuschung.
Das klingt nicht gut, was da auf Berlin und seine Bürger zukommen könnte. Sind diese Kürzungen realistisch? Gibt es Alternativen dazu? Kann man überhaupt sparen? Das wollen wir nun wissen von Professor Jobst Fiedler, stellvertretender Dekan an der Hertie School of Governance, einer privaten Hochschule, auf der gutes Regieren gelehrt wird. Guten Morgen Professor Fiedler!
Prof. Jobst Fiedler: Guten Morgen!
Spengler: Müssen die Berliner damit leben: weiter kaputte Straßen, Personalabbau im öffentlichen Dienst, keine kostenlosen Kita-Plätze, keine kostenlosen Studienplätze, was da an Horrorszenarien so alles gemalt wird?
Prof. Fiedler: Im Grundsatz ja, wobei alle Beteiligten, die sich jetzt geäußert haben, eigentlich in irgendeiner Form immer einem größeren Irrtum unterliegen. Wir haben das ja mal in einer breiten Studie bis in die Zukunft hinein beleuchtet. Die Berliner sind natürlich - das muss man auch jetzt kurz anfügen - durch die Form, wie sie bisher an ihre Grundstrukturen in der Stadt gerade auch der Verwaltung herangegangen sind und wie sie vieles versäumt haben zu machen, ein bisschen ins offene Messer gelaufen.
Spengler: War das der Fehler vor Karlsruhe?
Prof. Fiedler: Das war sicherlich ein Fehler: zu spät und vor allen Dingen haben sie nicht für die Zukunft schon mal gezeigt, wie denn eigentlich ein Sparprogramm bis sagen wir mal 2012 oder so aussehen würde.
Spengler Ist das auch der Irrtum, den Sie gerade eben erwähnt haben?
Prof. Fiedler: Ja, das ist der eine Irrtum. Der andere ist, wenn jetzt die anderen Ministerpräsidenten sich melden oder auch irgendjemand aus der Berliner Politik sagt, Sparen aus Selbstzweck sei nicht nötig: Was übersehen wird, oft und auch gerade bei Berlin, ist, der Zinsschuldenfalle kann man bei so einer hohen Verschuldung von 60 Milliarden gar nicht mehr entgehen. Das heißt selbst wenn Berlin jetzt kräftig weiterspart, es werden die Zinsen bald von jetzt 2,5 Milliarden auf 3,5 und 4 Milliarden steigen. Das heißt als Folge des Urteils sind die Anreize, sich jetzt selber anzustrengen, eigentlich sozusagen hervorgerufen worden. So dachte das Gericht, so redet das Gericht. Fakt ist aber die Gefahr einer Vergeblichkeitsfalle.
Spengler: Das heißt Sie widersprechen den Karlsruher Richtern, wenn die sagen, dass sich Berlin aus eigener Kraft befreien kann?
Prof. Fiedler: Berlin kann das nach unseren Zahlen, die wir hochgerechnet haben bis 2020 - und da geht es um zirka fast noch 5 Milliarden, die noch zu machen sind, die manchmal Herr Sarazien auch mutig angekündigt hat, was er tun will, die aber jedenfalls noch überhaupt nicht Senatsbeschluss sind -, nicht schaffen. Das heißt es wird fürchte ich mal nicht ausreichend motiviert sein und es wird vor allem auch gegen diese steigende Verschuldung, sozusagen gegen die Eigendynamik dieser Zinsschuldenfalle, allein nicht ankommen. Es wird sich zu späterer Zeit dann aber sozusagen als ultima ratio doch noch mal an den Bund wenden müssen, weil der kann nicht teilnahmslos daneben stehen, wenn seine Hauptstadt tot ist.
Spengler Herr Professor Fiedler, der Ball liegt ja nun nach diesem Urteil im Berliner Spielfeld. Da muss jetzt erst mal was passieren.
Prof. Fiedler: Er liegt erst mal im Berliner Spielfeld. Um Glaubwürdigkeit zu gewinnen, wird Berlin auch vor allem eine umfassende Verwaltungsmodernisierung, kompetent und auch mit externer Unterstützung, anpacken müssen.
Spengler: Das ist eine Umschreibung für Entlassungen oder?
Prof. Fiedler: Das ist nicht etwas, was nur Entlassungen betrifft, obwohl man darüber reden müsste, ob sie möglich wären. Es ist aber eine stehende Praxis in allen Bundesländern: Wenn Stellen abgebaut werden, wird nicht entlassen. Ob Berlin jetzt mal den Anlass bietet, das zu ändern, ist offen, aber jedenfalls heißt das erst einmal nur, man muss sich sowieso lange Zeiträume nehmen, selbst wenn man etwas kürzt, bis es sich dann finanziell auswirkt, weil wenn man niemand entlassen kann heißt das, man muss warten, bis die Beteiligten ausscheiden.
Spengler: Was ist mit dem Verkauf der landeseigenen Wohnungen? Das wird ja schon in Berlin zum Beispiel von der Links-Partei abgelehnt.
Prof. Fiedler: Hier liegt sicherlich nicht die wirkliche Lösung. fünf Milliarden sind ja eine Einmaleinnahme. Gleichzeitig steht dann gegenüber, dass man die Einnahmen nicht mehr hat. Ich würde es trotzdem empfehlen, weil auf Dauer nicht gesichert ist, dass nicht mit guten Käufern das genauso gut gemacht werden kann und Berlin dann erst mal eine gewisse Entschuldung hätte. Es wird verschiedene Punkte geben, die jetzt angesprochen sind, die in irgendeinem Teil der Berliner Koalition, die sich abzeichnet, keine Mehrheit finden. Es wird aber auf der Tagesordnung sein und insofern würde ich schon mal aus Gründen der Darstellung der Ernsthaftigkeit sagen, man muss an die Wohnungsgesellschaften heran.
Spengler: Fassen wir das zusammen. Berlin muss bestimmte Hausaufgaben machen. Sie sagen aber, auch wenn es die Hausaufgaben macht, ob nun Neustrukturierung des öffentlichen Dienstes, Studiengebühren und so weiter, ohne Hilfe geht es dennoch nicht. Wie soll denn diese Hilfe aussehen? Wie soll man wen zu solcher Hilfe überreden?
Prof. Fiedler: Das ist jetzt das Unglückliche jetzt. Wir hatten den Beteiligten ein Modell vorgeschlagen in einer Studie. Das hätte immer eine wesentliche Stufe gemachter Eigensanierung verbunden damit, dass es dann schon mal ein Stück externer Hilfe gegeben hätte. Das motiviert, weil man immer sozusagen Zug um Zug sich bewegt. Jetzt ist Berlin an sich gezwungen, sich bis zu einem Punkt selbst durch Sparen zu befreien, der aber darauf hinaus läuft, dass man Mindeststandards öffentlicher Dienstleistungen unterschreiten muss, bevor man sich dann wieder an den Bund wenden kann und sagen kann, jetzt haben wir einen Notstand. Das Gericht hat den Begriff jetzt gewählt. Bei Notstand muss sich der Bund engagieren. Das ist unglaublich unglücklich. Auch die ganze Nation hat nichts davon, wenn die Hauptstadt erst mal fast einen notstandsähnlichen Zustand erreichen muss.
Spengler Sehen Sie dennoch eine Chance für Ihre Studie? Sehen Sie noch einen Weg aus der Finanzkrise?
Prof. Fiedler: Ich sehe eine Chance. Der Bund kann eigentlich nicht teilnahmslos daneben stehen, bis Berlin sich in dieser Form in eine quasi Notstandssituation selbst durchs Sparen hineinmanövriert hätte. Er muss eigentlich rechtzeitig anbieten, die Berliner dabei zu begleiten, durch irgendeine Form, wie auch das Sanierungsprogramm der Stadt beurteilungsfähig gemacht wird, und rechtzeitig signalisieren, unter welchen Bedingungen der Bund sich tatsächlich herausgefordert fühlt. Das hat das Gericht übrigens nicht ausgeschlossen, dass so ein Weg möglich ist.
Spengler: Das wäre dann auch ein Modell für andere Staaten, die in der Schuldenfalle stecken?
Prof. Fiedler: Es wäre auch ein Modell für andere Staaten. Es ist ein Punkt unserer Studie jetzt zum Glück vom Gericht aufgegriffen worden. Da es viele Kandidaten auch gibt, die in so eine Notlage kommen können, neben Bremen und Saarland, die das heute schon reklamieren, es muss so etwas wie eine generelle Verfahrensklärung geben, wie geht man eigentlich mit Haushaltsnotlagen um, um sie zu vermeiden da wo es noch möglich ist, aber auch um Auswege zu bringen dort, wo eigentlich das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. So eine Regelung fehlt und das ist ein Regelungsauftrag jetzt an die Politik, Stichwort Föderalismusreform II.
Spengler: Das war Professor Jobst Fiedler, stellvertretender Dekan an der Hertie School of Governance. Danke schön Professor Fiedler für das Gespräch!
Prof. Fiedler: Danke schön!
Das klingt nicht gut, was da auf Berlin und seine Bürger zukommen könnte. Sind diese Kürzungen realistisch? Gibt es Alternativen dazu? Kann man überhaupt sparen? Das wollen wir nun wissen von Professor Jobst Fiedler, stellvertretender Dekan an der Hertie School of Governance, einer privaten Hochschule, auf der gutes Regieren gelehrt wird. Guten Morgen Professor Fiedler!
Prof. Jobst Fiedler: Guten Morgen!
Spengler: Müssen die Berliner damit leben: weiter kaputte Straßen, Personalabbau im öffentlichen Dienst, keine kostenlosen Kita-Plätze, keine kostenlosen Studienplätze, was da an Horrorszenarien so alles gemalt wird?
Prof. Fiedler: Im Grundsatz ja, wobei alle Beteiligten, die sich jetzt geäußert haben, eigentlich in irgendeiner Form immer einem größeren Irrtum unterliegen. Wir haben das ja mal in einer breiten Studie bis in die Zukunft hinein beleuchtet. Die Berliner sind natürlich - das muss man auch jetzt kurz anfügen - durch die Form, wie sie bisher an ihre Grundstrukturen in der Stadt gerade auch der Verwaltung herangegangen sind und wie sie vieles versäumt haben zu machen, ein bisschen ins offene Messer gelaufen.
Spengler: War das der Fehler vor Karlsruhe?
Prof. Fiedler: Das war sicherlich ein Fehler: zu spät und vor allen Dingen haben sie nicht für die Zukunft schon mal gezeigt, wie denn eigentlich ein Sparprogramm bis sagen wir mal 2012 oder so aussehen würde.
Spengler Ist das auch der Irrtum, den Sie gerade eben erwähnt haben?
Prof. Fiedler: Ja, das ist der eine Irrtum. Der andere ist, wenn jetzt die anderen Ministerpräsidenten sich melden oder auch irgendjemand aus der Berliner Politik sagt, Sparen aus Selbstzweck sei nicht nötig: Was übersehen wird, oft und auch gerade bei Berlin, ist, der Zinsschuldenfalle kann man bei so einer hohen Verschuldung von 60 Milliarden gar nicht mehr entgehen. Das heißt selbst wenn Berlin jetzt kräftig weiterspart, es werden die Zinsen bald von jetzt 2,5 Milliarden auf 3,5 und 4 Milliarden steigen. Das heißt als Folge des Urteils sind die Anreize, sich jetzt selber anzustrengen, eigentlich sozusagen hervorgerufen worden. So dachte das Gericht, so redet das Gericht. Fakt ist aber die Gefahr einer Vergeblichkeitsfalle.
Spengler: Das heißt Sie widersprechen den Karlsruher Richtern, wenn die sagen, dass sich Berlin aus eigener Kraft befreien kann?
Prof. Fiedler: Berlin kann das nach unseren Zahlen, die wir hochgerechnet haben bis 2020 - und da geht es um zirka fast noch 5 Milliarden, die noch zu machen sind, die manchmal Herr Sarazien auch mutig angekündigt hat, was er tun will, die aber jedenfalls noch überhaupt nicht Senatsbeschluss sind -, nicht schaffen. Das heißt es wird fürchte ich mal nicht ausreichend motiviert sein und es wird vor allem auch gegen diese steigende Verschuldung, sozusagen gegen die Eigendynamik dieser Zinsschuldenfalle, allein nicht ankommen. Es wird sich zu späterer Zeit dann aber sozusagen als ultima ratio doch noch mal an den Bund wenden müssen, weil der kann nicht teilnahmslos daneben stehen, wenn seine Hauptstadt tot ist.
Spengler Herr Professor Fiedler, der Ball liegt ja nun nach diesem Urteil im Berliner Spielfeld. Da muss jetzt erst mal was passieren.
Prof. Fiedler: Er liegt erst mal im Berliner Spielfeld. Um Glaubwürdigkeit zu gewinnen, wird Berlin auch vor allem eine umfassende Verwaltungsmodernisierung, kompetent und auch mit externer Unterstützung, anpacken müssen.
Spengler: Das ist eine Umschreibung für Entlassungen oder?
Prof. Fiedler: Das ist nicht etwas, was nur Entlassungen betrifft, obwohl man darüber reden müsste, ob sie möglich wären. Es ist aber eine stehende Praxis in allen Bundesländern: Wenn Stellen abgebaut werden, wird nicht entlassen. Ob Berlin jetzt mal den Anlass bietet, das zu ändern, ist offen, aber jedenfalls heißt das erst einmal nur, man muss sich sowieso lange Zeiträume nehmen, selbst wenn man etwas kürzt, bis es sich dann finanziell auswirkt, weil wenn man niemand entlassen kann heißt das, man muss warten, bis die Beteiligten ausscheiden.
Spengler: Was ist mit dem Verkauf der landeseigenen Wohnungen? Das wird ja schon in Berlin zum Beispiel von der Links-Partei abgelehnt.
Prof. Fiedler: Hier liegt sicherlich nicht die wirkliche Lösung. fünf Milliarden sind ja eine Einmaleinnahme. Gleichzeitig steht dann gegenüber, dass man die Einnahmen nicht mehr hat. Ich würde es trotzdem empfehlen, weil auf Dauer nicht gesichert ist, dass nicht mit guten Käufern das genauso gut gemacht werden kann und Berlin dann erst mal eine gewisse Entschuldung hätte. Es wird verschiedene Punkte geben, die jetzt angesprochen sind, die in irgendeinem Teil der Berliner Koalition, die sich abzeichnet, keine Mehrheit finden. Es wird aber auf der Tagesordnung sein und insofern würde ich schon mal aus Gründen der Darstellung der Ernsthaftigkeit sagen, man muss an die Wohnungsgesellschaften heran.
Spengler: Fassen wir das zusammen. Berlin muss bestimmte Hausaufgaben machen. Sie sagen aber, auch wenn es die Hausaufgaben macht, ob nun Neustrukturierung des öffentlichen Dienstes, Studiengebühren und so weiter, ohne Hilfe geht es dennoch nicht. Wie soll denn diese Hilfe aussehen? Wie soll man wen zu solcher Hilfe überreden?
Prof. Fiedler: Das ist jetzt das Unglückliche jetzt. Wir hatten den Beteiligten ein Modell vorgeschlagen in einer Studie. Das hätte immer eine wesentliche Stufe gemachter Eigensanierung verbunden damit, dass es dann schon mal ein Stück externer Hilfe gegeben hätte. Das motiviert, weil man immer sozusagen Zug um Zug sich bewegt. Jetzt ist Berlin an sich gezwungen, sich bis zu einem Punkt selbst durch Sparen zu befreien, der aber darauf hinaus läuft, dass man Mindeststandards öffentlicher Dienstleistungen unterschreiten muss, bevor man sich dann wieder an den Bund wenden kann und sagen kann, jetzt haben wir einen Notstand. Das Gericht hat den Begriff jetzt gewählt. Bei Notstand muss sich der Bund engagieren. Das ist unglaublich unglücklich. Auch die ganze Nation hat nichts davon, wenn die Hauptstadt erst mal fast einen notstandsähnlichen Zustand erreichen muss.
Spengler Sehen Sie dennoch eine Chance für Ihre Studie? Sehen Sie noch einen Weg aus der Finanzkrise?
Prof. Fiedler: Ich sehe eine Chance. Der Bund kann eigentlich nicht teilnahmslos daneben stehen, bis Berlin sich in dieser Form in eine quasi Notstandssituation selbst durchs Sparen hineinmanövriert hätte. Er muss eigentlich rechtzeitig anbieten, die Berliner dabei zu begleiten, durch irgendeine Form, wie auch das Sanierungsprogramm der Stadt beurteilungsfähig gemacht wird, und rechtzeitig signalisieren, unter welchen Bedingungen der Bund sich tatsächlich herausgefordert fühlt. Das hat das Gericht übrigens nicht ausgeschlossen, dass so ein Weg möglich ist.
Spengler: Das wäre dann auch ein Modell für andere Staaten, die in der Schuldenfalle stecken?
Prof. Fiedler: Es wäre auch ein Modell für andere Staaten. Es ist ein Punkt unserer Studie jetzt zum Glück vom Gericht aufgegriffen worden. Da es viele Kandidaten auch gibt, die in so eine Notlage kommen können, neben Bremen und Saarland, die das heute schon reklamieren, es muss so etwas wie eine generelle Verfahrensklärung geben, wie geht man eigentlich mit Haushaltsnotlagen um, um sie zu vermeiden da wo es noch möglich ist, aber auch um Auswege zu bringen dort, wo eigentlich das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. So eine Regelung fehlt und das ist ein Regelungsauftrag jetzt an die Politik, Stichwort Föderalismusreform II.
Spengler: Das war Professor Jobst Fiedler, stellvertretender Dekan an der Hertie School of Governance. Danke schön Professor Fiedler für das Gespräch!
Prof. Fiedler: Danke schön!