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Berlin
Köpenicker gegen Containerdorf für Flüchtlinge

In Köpenick im Osten Berlins soll eine neue Unterkunft für 400 Flüchtlinge entstehen. Der Plan stößt im Viertel jedoch auf eine breite Front der Ablehnung. Anwohner und Bürgermeister fühlen sich übergangen. Auch ein Flüchtlingshilfeverein spricht sich gegen das Containerdorf aus.

Von Daniela Siebert |
    Die Alfred-Randt-Straße liegt im äußersten Osten Berlins. In einem Plattenbauviertel am Waldrand. Die exakte Adresse für das Containerdorf, in dem ab Dezember 400 Flüchtlinge unterkommen sollen, halten die Behörden noch geheim, doch die Anwohner zeigen gleich auf das Grundstück, um das es geht: eine Brache voller Unkraut, mit Metallgittern eingezäunt und von Kiefern umsäumt. Neben einer heruntergekommenen Kita und einem frisch renovierten Seniorenheim. Die meisten Passanten hier sprechen sich deutlich gegen ein Containerdorf für Flüchtlinge aus:
    "Weil ein Altersheim und ein Kindergarten in unmittelbarer Nähe sind und das macht sich nicht gut. Weil die Leute Angst haben, die Kinder würden überfallen und so was alles."
    "Die ganze Infrastruktur stimmt nicht, es wird schon behauptet, der Kindergarten schließt. Nicht gegen die Ausländer, wenn es wirklich Asylanten sind. Langsam hab ich das Gefühl wir Deutsche sind der Arsch der Welt."
    "Das ist einfach für das Gebiet zu viel."
    "Demokratisch? Wir haben ja noch nicht mal was erfahren. Es ist ja noch nicht mal eine Versammlung gewesen. Das kann alles nicht sein."
    "Ich hab Angst, hier ist ja alles sehr dunkel, viel Wald, dass die Kleine dann abends irgendwie mal weggeschnappt wird. Die ist acht Monate. Vor allem dass man uns auch überhaupt nicht informiert hat da drüber. Also für mich war es echt ein Schock."
    "Diesen Standort hätten wir nicht vorgeschlagen"
    Der Unmut im Bezirk reicht bis hoch zu Bürgermeister Oliver Igel von der SPD. Er ließ am Dienstag per Pressemitteilung erkennen, dass er sich übergangen fühlt und forderte transparente Verfahren sowie Mitsprache bei der Standortsuche.
    "Ich versteh das auch gar nicht, warum wir als Bezirk überhaupt nicht eingebunden wurden. Denn man hätte uns ja dann auch mit in die Verantwortung nehmen können. Und klar ist: Diesen Standort hätten wir nicht vorgeschlagen."
    Weil in dem Viertel bereits ein Heim für 300 Flüchtlinge existiere und es bessere Optionen im Bezirk gegeben hätte. Trotzdem entschied er sich für einen realpolitischen Kurs, die Blicke sollten nun nach vorne gerichtet werden, proklamierte Igel:
    "Ich sehe nicht, dass wir jetzt in langen Verhandlungen mit dem Senat erreichen werden, dass diese Unterkunft nicht kommt. Sie wird errichtet werden, da kann ich mich jetzt sozusagen auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln, sie wird kommen."
    Das sehen viele Bürger in seinem Bezirk anders. Beim Bäcker unweit der Brache liegen Unterschriftenlisten aus, die schon vormittags gut gefüllt sind. Und die Bürgerinitiative "Refugees Welcome" - Flüchtlinge Willkommen - hat einen offenen Brief geschrieben. An den Regierenden Bürgermeister, an den Sozialsenator, den Bezirksbürgermeister, das Abgeordnetenhaus und die Bezirksverordnetenversammlung.
    "Es war ja so, dass wir von dieser Entscheidung völlig überrascht wurden. Was wir erreichen wollten, war eigentlich, dass dieser Standort noch mal überprüft wird."
    Bisher positive Erfahrungen mit Flüchtlingen
    Eberhard Aurich ist Mitbegründer der Bürgerinitiative. Über 1.000 Personen hätten den Brief online unterzeichnet, heute Vormittag erfolgte die Übergabe an Klaus Wowereit. Tatsächlich macht die Bürgerinitiative gerade einen schwierigen Spagat: Sie wurde vor einem Jahr gegründet, um den Menschen in einem neu eröffneten Flüchtlingsheim Hilfe und Integration zu ermöglichen. Seither organisiert seine derzeit 13-köpfige Gruppe Spenden, Möbel, Deutschunterricht, Geschenke und Betreuung für die Kinder.
    Bei Refugees Welcome seien alle gegen den geplanten Standort für das Containerdorf, manche auch gegen die Container an sich, so Aurich. Wenn Anwohner jetzt wieder mit Angst vor Gewalt und Kriminalität durch die Flüchtlinge argumentieren, kontern er und seine Mitstreiter. Etwa bei dem Gerücht, der Discountsupermarkt würde bald schließen, weil die dort zu viel klauen:
    "Hier in der Nähe wurde vor einiger Zeit auch ein Lidl geschlossen. Da gab es gar keine Ausländer und Flüchtlinge hier. Da hat es vielleicht ganz andere Gründe als diejenigen, aber das wird immer wieder gebraucht als Argument und da halten wir eigentlich dagegen und sagen das ist Quatsch!"
    Auch Bezirksbürgermeister Igel winkt ab: Die bisherigen Erfahrungen mit Flüchtlingen seien positiv, keine gestiegene Gewalt oder Kriminalität.
    Das andere Schreckgespenst am Horizont ist eine Zunahme rechtsradikaler Übergriffe und Sympathisanten. Auch auf das bereits existierende Flüchtlingsheim gab es schon einen Brandanschlag, bei dem ein Täter den Hitlergruß zeigte. Das rechte Potenzial im Kiez macht auch Aurich Sorgen.
    "Bei der Bundestagswahl wurden im Allende-Viertel II, 8,5 Prozent der Bürger haben dort NPD gewählt. Und das muss man einfach beachten. Und deshalb haben wir gesagt: Denen dürfen wir diese Stimmung nicht überlassen."
    Kein Vertrauen in offizielle Informationen
    In dieser Gemengelage soll nun auch noch der Verein "Offensiv 91" im Stadtteilzentrum vor Ort die Willkommenskultur zugunsten des Containerdorfes fördern. Beauftragt und bezahlt vom Landesamt für Gesundheit und Soziales. Yves Müller, Mitarbeiter des Vereins, kündigt ab Mitte November Bürgersprechstunden an und postalische Einladungen zu Anwohnerversammlungen mitsamt Infoblättern, die erklären was genau geplant ist. Zum Beispiel:
    "Dieser Begriff Containerdorf ist natürlich ein bisschen irreführend, es werden hier vor Ort zwei Gebäudetrakte mit jeweils drei Etagen errichtet, die bestehen in der Tat eben aus Containern, die aber mit einem festen Fundament installiert sind, es wird Sanitäreinrichtungen geben, einen behindertengerechten Zugang, Küchen, Gemeinschaftsräume, ein Kinderspielplatz, Fahrradstellplätze - also die gesamte Infrastruktur."
    Allerdings haben die Menschen im Kiez das Vertrauen in solch offizielle Informationen längst verloren. Denn über das bereits bestehende Flüchtlingsheim wurden sie damals auch informiert. Es hieß: 150 Flüchtlinge für ein Jahr bis Dezember 2014. Daran glaubt hier niemand mehr. Es sind längst doppelt so viele. Und gestern erfuhr der Deutschlandfunk exklusiv auf Nachfrage beim zuständigen Landesamt das Heim existiere "auf unbestimmte Zeit weiter".