"Spielzeug bestimmt hier noch dazu! Ich habe noch Regenponchos, wo sollen die hin? Ich wollte jetzt jede Woche mal kommen und heute habe ich erst einmal zuhause geguckt, was ich von den Sachen da habe."
Nora aus Prenzlauer Berg, eine junge Frau mit schulterlangen braunen Haaren, steht im Gedränge und reicht ihre mitgebrachten Spenden weiter an andere ehrenamtliche Helfer. In den Räumen auf dem Gelände der zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Alt-Moabit stapeln sich Lebensmittel, Toilettenpapier, Kleidung.
Noch immer sind die Eingänge vor der zentralen Aufnahmestelle umlagert. Für Frauen mit Babys und Kleinkindern gibt es inzwischen wenigstens eigene Warteräume und Betreuung. Doch noch immer sammeln sich bis zu 1.800 Asylbewerber täglich. Sie warten Stunden und Tage, um sich registrieren zu lassen.
Ein hagerer großer Mann mit brauner Haut und tiefen Gesichtsfalten sitzt vor dem Sanitätswagen der Johanniter und deutet stumm auf sein Knie. Die Sanitäter und arabisch sprechende Freiwillige versuchen, den Syrer zu verstehen.
"Alles kaputt und Krankenhaus Damaskus, Syrien, keine Adresse Doktor. Ja, er soll in die Klinik gehen. "
Aussichtslose Schlafplatzsuche
Nur einige Meter weiter steht Djahad. Der Student aus Mönchengladbach entstammt einer iranischen Familie und ist mit Freundin und drei Kommilitonen angereist, um zu helfen. Aufgeregt diskutiert er mit vier jungen Männern aus Afghanistan.
"Die Jungs schlafen seit vier Tagen im Park. Das Landesamt sagt, wir haben keine Plätze in keiner Unterkunft. Die müssen mit diesen Gutscheinen irgendwas finden. Kein Hostel nimmt diese Gutscheine, weil Berlin die Rechnung nicht bezahlt, das ist das Problem."
Das Landesamt für Gesundheit, kurz Lageso, ist zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge. Bis zu 2.000 zusätzliche Plätze in Wohncontainerdörfern, Notunterkünfte in leer stehenden Schulen und Rathäusern sind in den vergangenen beiden Wochen entstanden. Trotzdem müssen viele unter freiem Himmel schlafen. Der Berliner Senat hat gerade erst einen Koordinierungsstab einberufen. Seitdem treffen sich Beauftragte verschiedener Senatsverwaltungen täglich, um die dringendsten Notstände in den Griff zu bekommen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller, SPD.
"Wir sind in einer schwierigen Situation in Berlin, in einer problematischen Situation an einigen Tagen oder an einigen Stellen, aber wir sind noch nicht in einer Krisensituation. Aber es geht mir tatsächlich darum, vorbereitet zu sein auf eine Situation in zwölf, in 15, in 24 Monaten, die deutlich dramatischer sein kann, wenn dieser Flüchtlingsstrom so anhält."
Hohe Belastung für Freiwillige
Ab nächster Woche sollen einige wenige Caritas-Mitarbeiter auf dem Lageso-Gelände die Arbeit der ehrenamtlichen Helfer koordinieren und die Verantwortung übernehmen. Christiane Beckmann von der Organisation "Moabit hilft" ist froh darüber. Sie erlebt täglich, dass viele Freiwillige ihre Erlebnisse mit den Flüchtlingen kaum noch verarbeiten können.
"Ich merke das ja an mir, wenn ich nach Hause komme und dusche abends, fühle ich mich fast schlecht. Ich habe einen Kühlschrank mit Doppeltür, ich will die Tür gar nicht aufmachen, ich schäme mich fast. Das sind auch Gefühle, die man wieder loswerden muss. Nach zwei Wochen hier, das prägt einen natürlich. "
Staatliches Armutszeugnis
Gerade parkt wieder ein Privatauto mit Lebensmitteln. Die Helfer bilden eine Schlange, reichen Kekse und Getränkekartons weiter bis zur Spendenkammer. Andreas Hilberer aus Frankfurt am Main ist zu Besuch in der Hauptstadt, auch er hat sich spontan entschlossen zu helfen.
"Das ist ausschließlich private Hilfe hier, das heißt, der Staat macht hier null. Das ist eine Katastrophe, das ist ein Armutszeugnis und wenn ich jetzt weiter rede, fange ich an zu heulen, weil es gar nicht zu ertragen ist. Wir sind in Deutschland, dem reichsten Land Europas und ich stehe hier in einer Lebensmittelkette, wo Leute, die selber nichts haben, Sachen vorbei bringen. "