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Berlin
Privater Wachdienst auf dem Schulhof

Das Thema Gewalt beschäftigt Berliner Schulen schon seit Monaten: Mehrere hatten Brandbriefe geschrieben und von Gewaltexzessen berichtet. An einer Grundschule ist jetzt ein privater Wachdienst im Einsatz. Einige Politiker fordern noch drastischere Maßnahmen: eine neue Polizeieinheit speziell für Schulen.

Von Manfred Götzke |
    Zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma bewachen an der Berliner Albert-Schweitzer-Schule den Eingang
    Wachschutz an Neuköllner Schulen (dpa / Kay Nietfeld)
    "Sie müssen draußen bleiben und die Tochter muss alleine gehen."
    An der Spreewald-Grundschule in Berlin Schöneberg achten seit Anfang März private Sicherheitsleute darauf, dass es auf dem Schulhof nicht zu Keilereien kommt. Die meisten Eltern, die an diesem Morgen ihre Kinder vorbeibringen, finden das gut – und notwendig.
    "Ist sehr gut, finde ich, hauptsächlich da, wo die kleinen Kinder sind, die sich nicht selbst verteidigen können, ist sowas gefragt."
    "Also wenn es um Probleme unserer Kinder geht, ist schon gut. Aber man möchte sie schon bis in die Schule begleiten, wegen der Sicherheit."
    "Finden sie es hier so unsicher?"
    "Schon, ich überlege auch die Schule zu wechseln."
    Sicherheitsleute an Schulen sind in Berlin nichts Neues, an einigen Oberschulen in Neukölln stehen sie schon seit vier Jahren an den Eingangstoren. Die Spreewaldschule ist aber die erste Grundschule, die diese Maßnahme für nötig hält. Schulleiterin Doris Unzeitig wusste sich nicht anders zu helfen.
    "Die Kinder können nicht so gut kommunizieren. Obwohl wir hier seit Jahren ein begleitendendes Projekt haben, wo die Kinder lernen, ohne Fäuste Konflikte zu lösen, kommt es doch schnell zu Handgreiflichkeiten, auch zu Gewalt und auch zu Verletzungen."
    Gewalt beschäftigt Berliner Schulen schon seit Monaten
    Krasse Einzelfälle? Oder doch eher Alltag an den Berliner Schulen. Marcel Luthe, der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, wollte genau das wissen. Und hat den Senat um konkrete Zahlen gebeten. Lange Zeit vergeblich.
    "Die Senatsverwaltungen haben viele Jahre gemauert und wollten keine Zahlen zu den Kriminalitätsstatistiken rausrücken. Ich hab daraufhin intensiv mich mit dem Statistiksystem der Polizei beschäftigt ... und festgestellt, dass es sehr wohl geht, wenn man nach den Adressen fragt."
    Luthe musste am Verfassungsgerichtshof des Landes klagen und 690 Anfragen stellen – für jede Schule eine – um an die Daten zu kommen. Und die fallen deutlich aus. Die Zahlen, die Luthe vorliegen, sind höher als jene, die der Senat nennt. Etwa 7.200 Gewaltdelikte wurden an Adressen von Schulen angezeigt, der Senat gab 5.500 an. Und: Die Gewalt an beziehungsweise im Umfeld der Berliner Schulen hat zwischen 2014 und 2017 zugenommen.
    "Es gibt einen Anstieg um 15 Prozent der Straftaten an Schulen generell. Und darüber hinaus gibt es einen Anstieg um 20 Prozent bei den Gewaltdelikten. Im Vergleich in Berlin allgemein haben sie einen Anstieg um etwa drei Prozent im gleichen Zeitraum. Das Klima an den Schulen ist also deutlich aggressiver geworden in den letzten Jahren."
    Das Thema Gewalt beschäftigt Berliner Schulen schon seit Monaten, mehrere hatten Brandbriefe geschrieben; von Gewaltexzessen berichtet; mehr Schulsozialarbeiter, Psychologen und geringere Klassengrößen gefordert. Zu lange habe der Senat all diese Probleme nicht ernst genommen, beklagt Luthe.
    Schulsozialarbeit wurde ausgebaut
    "Letztlich ist es meines Erachtens das Ergebnis genau der Politik des Senats, dass Gewalt und Kriminalität an Schulen totgeschwiegen werden soll. Und es haben sich viele Bürger an mich gewandt mit Vorfällen an Schulen, bei denen dann das Opfer sich bei seinem Täter entschuldigen sollte - weil es ja sicher was falsch gemacht haben wird. Und genau damit fördern sie ganz gezielt Gewalt."
    Bildungssenatorin Sandra Scheeres widerspricht: Das Meldeverhalten an Berliner Schulen sei im Gegenteil "niederschwellig". Auch kleinere Vorfälle würden in Berlin zur Meldung kommen. Die teilweise hohen Zahlen seien auch so zu erklären. Man dürfe die Lehrkräfte mit den Problemen, die auch von außen in die Schulen hineingetragen werden, aber nicht allein lassen. Tatsächlich hat die Berliner Schulverwaltung in den letzten Jahren die Schulsozialarbeit ausgebaut und Präventionsprojekte finanziert.
    Doch offenbar reicht das nicht. FDP-Mann Marcel Luthe fordert deshalb drastischere Maßnahmen. Eine neue Polizeieinheit des zentralen Objektschutzes - speziell für Schulen.
    "Der zentrale Objektschutz setzt sich aus kurzfristig weiterqualifizierten Angestellten im Polizeidienst zusammen. Die geprüft sind auf Zuverlässigkeit und Verfassungstreue und auch Polizisten in Uniform sind. Und das ist genau das Signal, das sie unseren Kindern geben müssen. Da ist der Polizist, an den kannst du dich wenden - und der passt auf dich auf."
    Besser als private Sicherheitsfirmen sei das allemal.