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Berlin
Streit um Geld für die freie Szene

Die freien Künstler in Berlin hatten sich auf Geld aus einer neuen Berliner Bettensteuer gefreut. Jetzt haben die Haushaltspolitiker beschlossen: Die ersten Einnahmen fließen, statt in die Kunst, direkt in den Landeshaushalt. Die Enttäuschung in der Szene ist groß.

Von Susanne Arlt |
    Die eigentliche Bombe ist schon vor wenigen Tagen geplatzt. Und wie so oft bei Etatberatungen hatten Haushaltspolitiker dabei ihre Hände im Spiel. Bisher gingen die Künstler der freien Szene davon aus, dass ihnen ein Teil der Einnahmen aus der neuen City-Tax zugutekommt. Ab Januar wird diese Bettensteuer eingeführt, die jeder private Hotelgast entrichten muss. Das hoch verschuldete Land verspricht sich davon Mehreinnahmen in Höhe von 25 Millionen Euro.
    Die Hälfte dieser Einkünfte sollte unmittelbar in kulturelle, sportliche und tourismusnahe Vorhaben fließen. So stand es auch in der Senatsvorlage. Jetzt aber haben die Finanzpolitiker der rot-schwarzen Regierung den ersehnten Geldstrom kurzerhand umgeleitet. Die ersten 25 Millionen Euro aus der City-Tax sollen in den Haushalt fließen. Danach tröpfeln wohl nur noch Rinnsale in die Töpfe der Kultur, des Sports und in den Tourismus. Über diese plötzliche Konsolidierungsmaßnahme waren nicht nur die Anhänger der Freien Szene entsetzt, sondern auch die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Brigitte Lange.
    "Ja ich bin auch kalt erwischt worden davon, dass erst 25 Millionen in die Konsolidierungskasse fließen und erst ab dann die Gelder verteilt werden sollen. Und ich bin der Meinung, dass wir da im nächsten Jahr noch dran arbeiten müssen, um das zu verändern, weil das ja gar nicht sicher ist, dass wir 25 Millionen erwirtschaften."
    Auch wenn sie bei der City-Tax noch Handlungsbedarf sieht, dem Beschluss der Haushälter will sie trotzdem heute zustimmen. Immerhin sei der Kulturetat in Höhe von knapp 370 Millionen Euro für die kommenden zwei Jahre um insgesamt 40 Millionen Euro aufgestockt worden. Diese Zahl könne sich sehen lassen, betont Brigitte Lange. Ein großer Teil davon wird aber für die anstehenden Tariferhöhungen gebraucht. So lautet der neue Ansatz für die Haushaltsjahre 2014 und 2015 eigentlich Plusminus Null. Wolfgang Brauer, kulturpolitischer Sprecher der Linken, ärgert sich über die Ignoranz seiner Kollegen. Sie würden die künstlerische Arbeit der freien Szene völlig unterschätzen.
    "Das ist Bonapartismus"
    "Das ist Bonapartismus, das ist haushaltspolitischer Bonapartismus. Mit inhaltlichen Entscheidungen hat das nichts zu tun."
    Die meisten Gelder des Berliner Kulturetats wandern in die fest installierten Einrichtungen: In die landeseigenen Theater, die Opernstiftung, die Orchesterlandschaft, die Bibliotheken, die Museen oder in die Bezirke. Nur fünf Prozent fließen in den Topf für die freie Szene. Anerkennenswert ist das differenzierte Fördersystem, das den freien Kulturschaffenden viele Möglichkeiten bietet. Bedacht wird vor allem die darstellende Kunst. Die bildenden Künste, die Literatur und die Neue Musik fallen so gut wie unter den Tisch, moniert Christoph Knoch, Sprecher der Koalition der freien Szene. Scheinbar misstraue die Politik dieser Szene, so sein Fazit.
    "Also es ist eine ganz grundparteiische Haltung oder vielleicht auch ein grundsätzliches Unverständnis, was die künstlerische Praxis in der freien Szene ist. Vielleicht auch die Angst davor, dass nichthierarchische Strukturen auch Kunst produzieren können. Oder das Unverständnis darüber, dass kollektive Strukturen auch Qualität produzieren können. Der Zweifel, dass dort wirklich qualitativ etwas produziert wird, ist unglaublich."
    Er fordert darum einen Fünf-Millionen-Fonds für die freie Szene, in dessen Kuratorium paritätisch Künstler und Vertreter der Kulturverwaltung sitzen sollen, die jedes Jahr gemeinsam über die Gelder entscheiden. Brigitte Lange lehnt das ab. Sie plädiert auch dafür, dass künftig mehr Gelder in die freie Szene fließen, aber nur in die dafür bereits bestehenden Töpfe. Überraschenderweise stimmen ihr Vertreter aus der Wirtschaft zu. Die Industrie- und Handelskammer Berlin ist zwar nicht der Meinung, dass die Touristen allein wegen der Offkultur in die Hauptstadt strömen. Doch spiele diese Szene als Nährboden für die Berliner Kreativwirtschaft eine beachtliche Rolle. Darum fordert auch die IHK eine Umverteilung der Fördermittel zugunsten der freien Szene.
    Danach sieht es derzeit aber nicht aus, wie der Umgang mit der Tanzcompagnie von Sasha Waltz beweist. Statt deren Budget wie versprochen zu verdoppeln, haben die Haushälter jetzt beschlossen, den 500.000-Euro-Etat künftig aus der Opernstiftung querfinanzieren zu lassen. Eine Zumutung, finden Sasha Waltz und der geschäftsführende Direktor der Opernstiftung, Georg Vierthaler. Weil dann sowohl die Unabhängigkeit der Truppe wie auch die Finanzierung der Opernstiftung gefährdet würden. Mit den künftigen Einnahmen aus der City-Tax hätten die Berliner Politiker kulturpolitische Weichen stellen können. Stattdessen aber wurschteln sie lieber weiter rum.