Berlin arbeitet an der Reparatur. Die bisher einmalige Wiederholung der Abgeordnetenhaus-Wahl war kein Naturereignis und auch kein Betriebsunfall, sondern das Ergebnis von Fehlern in der Stadt. Fehlende Stimmzettel, falsche Stimmzettel, Notstimm-Zettel - bitter das alles! Chaos in Wahlkabinen und darum die Wiederholung. Eine wirklich einmalige Großreparatur.
Der amtierende Landeswahlleiter gibt zu, er befinde sich selbst noch im Reparaturmodus. Er habe Einfluss, aber keine Macht. Die haben bitte sehr die Berlinerinnen und Berliner, die trotz dieses Chaos nicht zuhause geblieben, sondern zur Wahl gegangen sind. Möglicherweise nicht zum letzten wiederholten Mal, denn die Entscheidung über die Anno 2021 ebenfalls praktizierte Bundestags-Wahl steht noch aus.
Unverfroren und dreist
Was indes wirklich wundert, das ist die Chuzpe der damals Verantwortlichen, die ja alle noch da sind in der Stadt. Die doch tatsächlich wie der damalige Innensenator Andreas Geisel „Verantwortung spüren“, aber ganz offensichtlich nicht dazu bereit sind, diese Verantwortung nicht nur zu spüren, sondern auch zu übernehmen. Das ist anhaltende Verantwortungslosigkeit.
Schuld will niemand gewesen sein. Unverfroren und dreist und dieses Nicht-Agieren wurde mächtig bei der SPD abgeladen – nicht bei den anderen Regierungspartnern, den Grünen und der Linken.
Schwarz-Grün wäre stadtpolitisch und kulturell interessant
Und jetzt - wie weiter? Munteres Regierungsbilden trotz alledem? Und wer mit wem? Kai Wegner, der Spitzenkandidat der CDU, sprach selbst von einem „phänomenalen“ Ergebnis nach seinem Oppositions-Wahlkampf, der dieses Wechselvotum erzeugte.
Nur - der Gewinner ist noch lange nicht der Sieger. Die Sondierungen und Verhandlungen werden schwer und sie werden zäh werden. Kulturell und stadtpolitisch durchaus interessant wäre eine Koalition unter Führung der CDU mit den Grünen. Der Spandauer Kai Wegner und die Augsburgerin Bettina Jarasch - der Einheimische und die Zugezogene – Alt-Berlin und Neu-Berlin. Beide müssten miteinander raufen und beide sind sich ihrer eigenen Parteien ganz und gar nicht gewiss.
Nach der Wahl ist vor der Wahl
Und - dann wäre da ja immer noch - eine Neuauflage der bisherigen Stadtregierung möglich, deren Bilanz hinter allem Wahlchaos zu verschwinden droht: Kein anderes Bundesland hat die Ausgaben so drastisch gesenkt wie Berlin. Nirgendwo bundesweit ist das Wirtschaftswachstum so stark, nirgendwo die Zahl der Arbeitslosen so niedrig.
Und - Berlins bisher Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey von der SPD und Sozialsenatorin Kipping von den Linken waren vorbereitet auf mehr als 350.000 Flüchtlinge aus der Ukraine, die in Berlin zu versorgen waren. 100.000 von ihnen sind in der Stadt und die Wohngeld-Hilfen für die Bürger zwischen Reinickendorf, Lichterfelde und Hellersdorf erreichen die Bürger zügig.
Nach dieser Wahl mit noch offenem Regierungsbildungs-Ausgang ist vor den Wahlen in Bremen im Mai, im Oktober dann in Bayern und Hessen. In Summe wird’s dann sehr interessant - mit Blick auf die Folgen dieser Wahlen für die Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat. Die Union könnte ihre Noch-Mehrheit in der Länderkammer verlieren. Die Ampel-Konstellation im Bund würde davon bestens profitieren. Bis dahin wird Berlin längst eine Stadtregierung haben, von der im Moment noch überhaupt nicht sicher ist, wie sie aussieht.