Nein, freundlich klingt dieser Brief der Berliner Landeswahlleiterin nicht. Von eindringlichen, zwingend erforderlichen Maßnahmen ist da die Rede, der Zeitplan sei zu eng und für eine Fehlerbehebung sei es bald zu spät. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland scheint eine Landtagswahl akut gefährdet. Zitat:
"Mir haben die Amtsleitungen der Bürgerdienste mitgeteilt, dass entgegen der Einschätzung des Landesamtes für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten die Wahlsoftware noch so gravierende Probleme und Mängel aufweise, dass dadurch die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen gefährdet sei."
SPD greift CDU direkt an
Die Probleme mit der Wahlsoftware sind nicht neu. Eine moderne Software trifft auf veraltete Hardware, heißt es dazu in der zuständigen Senatsinnenverwaltung. Die Ausstellung der Wahlscheine dauert zu lange, bei einem Test stellte sich heraus, dass auf Wahlscheinen falsche Wahllokale angegeben waren, und - ein gravierendes Problem - die Wählerverzeichnisse können nicht korrekt und schnell genug ausgedruckt werden.
"Das ist jetzt schon fast der Gipfel einer Verwaltungsproblematik, die wir hier erleben dürfen, dass ein Senat jetzt schon nicht mehr abgewählt werden kann und die eigene Unfähigkeit dafür der Grund ist," bemerkt bitter-sarkastisch die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl, Ramona Pop. Der zuständige Innensenator Frank Henkel, CDU, müsse sofort und unmissverständlich eine Garantie für die Wahlen am 18. September abgeben. Doch Henkel - Spitzenkandidat der Christdemokraten - schickte zunächst seinen Staatssekretär vor. Bernd Krömer sagte im RBB:
"Also ich sehe das Schreiben der Landeswahlleiterin in erster Linie als Appell, hier noch einmal nachzubessern und vor allem die Dinge auch noch ein bisschen zu beschleunigen."
Der Brandbrief der Landeswahlleiterin hat zu einem handfesten Krach in der rot-schwarzen Koalition in der Hauptstadt geführt. Der SPD-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus Raed Saleh griff den Koalitionspartner CDU frontal an - der Innensenator sei überfordert und sitze die Probleme aus. Die Sozialdemokraten befürchten nicht zu Unrecht, für die Versäumnisse der christdemokratisch geführten Innenverwaltung in Haftung genommen zu werden. Hatte doch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller bei seinem Amtsantritt vor eineinhalb Jahren das Motto "Gutes Regieren" ausgegeben:
"Handeln ist hier gefragt. Jeden Tag müssen wir unter Beweis stellen, das wir's können und dass wir das Zusammenleben in dieser Stadt jeden Tag ein bisschen besser machen wollen. Dieses 'Gute Regieren' ist für mich tatsächlich jetzt die wichtigste Aufgabe."
CDU warnt vor Wahlkampfgetöse
Dann kam das gravierende Versagen beim Flüchtlingsmanagement - Stichwort Lageso -, anhaltende Probleme beim Hauptstadtflughafen BER und den Bürgerämtern, aufgebrachte Eltern, die schon seit Langem sanierte Schulen für ihre Kinder fordern und zu allem Überfluss jetzt die offenbar gefährdete Landtagswahl. Von "Gutem Regieren" spricht SPD-Spitzenkandidat Michael Müller schon lange nicht mehr. Oppositionschefin Ramona Pop:
"An allen Stellen ist die Berliner Verwaltung inzwischen in einem Zustand, dass jetzt tatsächlich sogar die Wahl gefährdet ist. Und das ist die größte Hinterlassenschaft für die nächste Regierung tatsächlich, die die Große Koalition nicht angepackt hat, die Verwaltung des Landes Berlin so aufzustellen, das sie für die Bürgerinnen und Bürger da ist und ihre Dienstleistungen vernünftig wahrnimmt. Das ist in den letzten Jahren verschlafen und verschleppt worden und das wird der nächsten Regierung als Problem vor die Füße gekippt."
Die CDU - sie stellt den zuständigen Innensenator - warnt unterdessen ihren Koalitionspartner SPD vor Panikmache und Wahlkampfgetöse.
Die Innenverwaltung nimmt den Brandbrief der Landeswahlleiterin allerdings sehr ernst - am Dienstag kommt es zu einem Krisentreffen.