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Berliner Ausstellung
Von der Ästhetik des Krieges

"Fire and forget" heißt eine Ausstellung im Berliner Kunst-Werke Institute for Contemporary Art. Sie beschäftigt sich mit der Ästhetik des Krieges, mit Gewalt und Waffen - und lässt den Besucher mitunter verstört zurück.

Von Carsten Probst |
    Ein Soldat steht auf einem Panzer, am Himmel viele Wolken.
    Auch im Krieg gibt es ästhetische Momente. (dpa )
    In den vergangen Jahren haben sich immer wieder Ausstellungen mit dem Verhältnis von Gegenwartskunst und Krieg auseinandergesetzt, wie "Aschemünder" im Haus der Kunst in München oder "Serios Games" in Darmstadt. Aber im Vergleich zu diesen gehen die Kunst-Werke Berlin das Thema nun geradezu enzyklopädisch an und versuchen gleich mehrere zentrale Motive der Kriegs- und Konfliktforschung abzuarbeiten.
    Alle Einzelaspekte sind für sich genommen schon weit verzweigt und höchst diskutabel. Die Ausstellung wird dadurch überaus komplex - gut zum einen, weil sie damit über sich selbst als Ereignis hinausweist und das Weiterdenken an den Besucher zurückgibt. Problematisch, weil manche Fragen nur in extremer Verkürzung erscheinen und tatsächliche historische Forschungsinhalte fast ganz wegfallen, wenn man einmal von den dokumentarischen Fotografien aus dem Londoner "Archive of Modern Conflict" absieht. Dass das Projekt durch die Beteiligung des Wissenschaftstheoretikers und Philosophen Daniel Tyradellis eigentlich eine wissenschaftliche Komponente hat, wird eher auf den zweiten Blick anhand der Zusammenstellung der Arbeiten zu den einzelnen Themen deutlich.
    Fotografierte Atomexplosion
    So fällt auf, dass sich nur ein relativ kleiner Bereich im zweiten Stock der Ausstellung tatsächlich dem Ereignis der Gewalt und seiner Repräsentation in Bildern widmet - der für das Publikum wahrscheinlich am leichtesten rezipierbar ist. Die von Julius von Bismarck hier aufgestellten, aus beweglichen Figurinen nachgebildeten Omon-Kämpfer unausweichlich eine völlig unintellektuelle, weil physisch unmittelbar bedrohlich wirkende Installation, die man auch im Nachhinein erst einmal emotional verarbeiten muss. Das Thema setzt sich dann fort ins Radikal-Private, etwa mit Damien Hirsts Anleitung für die effizienteste Art, sich selbst zu erschießen, und spielt schließlich in der hinteren Raumecke hinein ins Ästhetische und Erhabene mit Robert Longos realistischer Kohlenachzeichnung einer fotografierten Atomexplosion.
    Andere, ebenfalls wichtige Fragestellungen lassen sich in diesem Rahmen erkennbar weitaus weniger klar eingrenzen und erfordern eigentlich Hintergrundwissen. Das Thema "Erinnerung und Vergessen" mündet in Ländern wie Deutschland mit ausgesprochen extremer und noch frischer Gewaltvergangenheit unausweichlich in die gesammelten Diskurse zur Erinnerungskultur. Das lässt sich hier mit einigen wenigen Arbeiten kaum abhandeln, auch wenn die sehr augenfällige Rauminstallation von Kris Martin aus leeren Geschosshülsen, die zu Blumenvasen umgearbeitet wurden, eine ironisch-fatalistische Note setzt. Zentral sind hier die Arbeiten, die gerade die Unsichtbarkeit von Gewalt betonen. Die "Torture Series" von Luis Camnitzer sind ein eindringlich intimes Tagebuch der seelischen und körperlichen Wirkungen von Gewalt und Gefangenschaft, für die die historischen Darstellungen von Konflikten oft nur soziologische Phrasen bereithalten. Noch eindringlicher sind die Fotografien von Exekutionsplätzen in syrischen Städten, denen man ihre Funktion nicht ansieht. Die Fotografien zeigen also im Bezug auf ihr Thema eigentlich nichts, indem sie nur einen Teil der Stadt zeigen. Auf Frauen als Kriegsbeteiligte und Opfer kann aus Platzgründen nur eher symbolisch mit einer Arbeit von Martha Rosler hingewiesen werden
    Das Erlebnis der realen Begegnung mit Waffen und Gewalt steht zwar im Zentrum der Ausstellung, mitten in der großen Halle im Basement der Kunstwerke. Aber die zahlreichen Arbeiten stehen eng zusammen und bieten eine fast undurchschaubare Fülle von Querverweisen und Bezügen, die fast eine intellektuelle Überforderung bedeuten. Joachim Koesters filmisches Re-Enactment von klassischen Drohgebärden aus Western-Duellen ist zugleich eine tänzerische Rollenverschiebung, denn alle Darsteller sind Frauen. Quer gegenüber verbreichen sich Marina Abramovic und ihr einstiger Künstlerpartner Ulay ihre legendäre Ohrfeigen-Performance, während Ana Mendieta in ihren perfomativen Selbstportraits die Grenze der eigenen Haut als Gewaltzone markiert. Am Ende verfolgt die Ausstellung mit ihrer überbordenden Themenfülle eine ganz eigene Agenda - die Frage: Was kann die künstlerische Darstellung, was Wissenschaft nicht kann? Vielleicht gibt es im 21. Jahrhundert aber gar keine Frontstellung mehr zwischen schriftlicher und bildlicher Darstellung, zwischen Visus und Logos? Vielleicht wäre für manchen Besucher eine klarere historische Aufarbeitung des Themas sogar leichter durchschaubar gewesen. Für Gesprächsstoff sorgt diese Ausstellung allemal.