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Berliner Clubsterben
Politiker unterstützen Protest

Kitkat, About Blank oder Griessmühle – das sind die Namen angesagter Berliner Techno-Clubs, die von der Schließung bedroht sind. Das Clubsterben trifft auch die Wirtschaft. Party-Touristen bescheren der Hauptstadt Milliardenumsätze. Auch deshalb mischt die Politik mit bei der Rettung der Clubs.

Von Manfred Götzke |
Eingang zum U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße an der Köpenicker Straße in Berlin mit der Tür zum Sage Club
Bedrohte Institution des Berliner Nachtlebens: Zugang zum Sage Club am U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße (www.imago-images.de)
Der Platz vor dem Rathaus Neukölln ist voll und in Bewegung. Mehr als 400 Leute in dunklen Stiefeln, bunten Trainingsjacken und Kunstleder-Mänteln sind zusammen gekommen und tanzen. Es könnte ein Open-Air-Rave sein – wenn nur die Kälte nicht wäre und der Anlass. Der harte Kern der Berliner Techno-Szene ist an diesem eisigen Abend hier, um gegen das Clubsterben zu protestieren.
"Es tut einem doch weh, die Rummelsbucht, da wird alles zugebaut, die Griessmühle schließt jetzt vielleicht, das Kit-Kat – das sind alles wunderschöne Orte, wo Leute sich entfalten können. Und das tut einfach weh."
Viele der Demonstranten haben Papp-Banner dabei. "Let us dance", "Brake our beats, not our hearts" steht drauf. Und immer wieder: "Save the Griessmühle".
"Für mich ist das ein Ort, wo ich mich immer total sicher gefühlt habe, wo man nicht einfach angefasst wurde, wenn man das nicht wollte, wo die Leute immer zuvorkommend sind, man sich immer aufhoben gefühlt hat. Und dass das jetzt einem weggenommen werden soll, finde ich schlimm."
40.000 Unterschriften gegen Schließung der "Griessmühle"
Der Griessmühle, einem legendären Techno-Club in Neukölln, droht seit Wochen die Schließung. Es wäre mal wieder einer: Über 100 Clubs mussten in den letzten zehn Jahren schließen, aktuell steht nicht nur die Griessmühle auf der roten Liste, auch zwei andere bekannten Läden, dem "About Blank" und dem "Kit-Kat" droht die Schließung. Es geht was verloren in Berlin, meint der französische DJ Tarout, der genau wegen der Clubkultur hergekommen ist.
"Das ist wirklich ein strukturelles Problem von Clubs und Freiräumen, die alle von Spekulation bedroht sind. Die Stadt Berlin müsste da aktiver vorgehen, um diese kulturell wertvollen Orte zu schützen, mit den Betreibern sprechen bevor sowas wie hier mit der Griessmühle passiert und die Orte sichern und sie - warum nicht - kaufen."
Was der Griessmühle droht, ist in Sachen Clubsterben der Klassiker: Der Mietvertrag läuft Ende Januar aus, der Besitzer, die "S Immo", will dort, am S-Bahnhof Neukölln, Büros und Wohnungen bauen - das verspricht mehr Rendite.
Doch die Betreiber haben bis zuletzt dagegen angekämpft. Mehr als 40.000 Leute haben eine Petition für den Erhalt unterschrieben. Sogar das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich gegen die Schließung ausgesprochen, ein einmaliger Vorgang, erzählt der CDU-Politiker Falko Liecke, stellvertretender Bürgermeister Neuköllns.
"Das war jetzt der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat, wo man gesagt hat: Nee, so geht’s nicht weiter. Wenn wir als Berlin diese Anziehungskraft behalten wollen, auch in dieser Szene, müssen wir uns was einfallen lassen und das ist über die politischen Grenze hinweg gelungen."
Politiker verhandeln mit Investoren
Dass die Berliner Clubs mehr sind als ein Freiraum für ein paar verstrahlte Raver, ist angekommen: Vor der improvisierten Bühne stehen Bundestagsabgeordnete, Landespolitiker fast aller Parteien. Einige haben in den letzten Tagen an der Seite des Clubbetreibers mit dem Investor verhandelt.
"Es geht hier auch um öffentlichen Druck und im entscheidenden Moment muss auch Planungsrecht hier gestaltet werden zugunsten von solchen Kiez-Einrichtungen. Es können Baugenehmigungen entsprechend gestaltet werden, dass nicht nur Wohnen und Büro ein Thema sind, sondern auch solche Kultureinrichtungen."
Berliner Partygänger demonstriert vor dem Rathaus Neukölln gegen die drohende Schließung von Szeneclubs
Demo gegen das Clubsterben in Berlin vor dem Neuköllner Rathaus (Deutschlandradio / Manfred Götzke)
Vor dem Rathaus ist es dunkel geworden - und noch kälter. Kurz nach fünf tritt Lutz Leichsenring auf die Bühne, eine Sprecher der Szene.
"Wir wollen keine Stadt, in der man vom Bürgersteig essen kann, bevor er um 0 Uhr hochgeklappt wird, wir wollen nicht mehr Verbote, Regulierungen, Bußgelder. Wir wollen zeigen, dass es eine Stadt, laut und lebenswert zugleich geben kann. Es gab noch nie so viele Gründe einen Club zu retten..."
Lutz Leichsenring vertritt die "Club Commission", eine Art Lobby-Organisation der Berliner Clubbetreiber. Diesmal wirkt er optimistisch:
"Die Gespräche mit dem Investor 'S Immo' sind tatsächlich konstruktiv und freundlich verlaufen. Wir haben die Zusage bekommen, dass sie mit uns in einen Dialogprozess geht, dass wir das Gelände nicht nur in der Übergangszeit, während der Baustelle als Zwischennutzung, aber auch langfristig für die nachhaltige Entwicklung auch mit einem Club mitdenken können."
Idee von Dr. Motte: Berliner Clubs als Weltkulturerbe
Ob die Griessmühle wirklich gerettet ist - es ist noch offen. Ein Ausweichquartier steht in Aussicht, die Details werden in den nächsten Wochen geklärt. Doch die Verhandlungen mit den Investor - sie könnten Vorbild sein für andere bedrohte Clubs, sagt Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel.
"Und die Frage ist, wie man solche vielfältigen Orte auch städtebaulich sichern kann, es ist ja schon was Einzigartiges. Wir haben ja schon den Widerspruch bei der Griessmühle, dass man eine Industriebrache haben will für den gewissen Flair – und genau das kann man nur schwer in Regelstrukturen überführen, aber genau das ist die Herausforderung, die man konzeptionell lösen muss – wobei ich noch nicht sagen kann, es gibt die Lösung."
Dr. Motte, legendärer Begründer der Love-Parade und der wohl bekannteste DJ, der an diesem Abend gekommen ist - er hat noch eine andere Idee, um die Berliner Clubs zu sichern: Er will die Clubkultur unter den Schutz der Unesco stellen - als immaterielles Kulturerbe.
"Weil das am Ende den Schutz bringt für alle Clubs, die diese Musik spielen. Das hätte zur Folge, wenn man das erreichen könnte, dass viele Clubs weniger Steuern zahlen und einen besseren Bestandsschuzt hätten. Man kann die dann nicht so einfach dicht machen und hätte einen ganz anderen Support."
Er erzählt noch kurz, dass er auch die Loveparade wieder in die Stadt holen will. Dann verschwindet der Grandseigneur des deutschen Techno wieder in der Menge.