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Kommentar zu Jugendgewalt
Giffeys Berliner Gipfel ein guter Beginn

Die Gesprächsrunde mit vielen Betroffenen zur Jugendgewalt in Berlin könne nur ein Auftakt gewesen sein, kommentiert Manfred Götzke. Ob das, was die noch Regierende Bürgermeistern Giffey danach angekündet habe, weiterhilft, müsse sich noch zeigen.

Ein Kommentar von Manfred Götzke | 11.01.2023
Franziska Giffey (SPD), Regierende Bürgermeisterin von Berlin, spricht nach dem Gipfel gegen Jugendgewalt mit Akteurinnen und Akteuren aus Senat, Bezirken und Zivilgesellschaft mit Philipp Jose Richter (r), Gangway - Straßensozialarbeit in Berlin e.V., und (l) Cassius de Caifaz, auch von Gangway
Gespräche auf dem Berliner Gipfel gegen Jugendgewalt (picture alliance / dpa / Fabian Sommer)
Wir müssen reden, so hat die Regierende Bürgermeisterin die Pressekonferenz zum Jugendgipfel eröffnet. Ja klar, was denn auch sonst. Nach den Krawallen aus der Silvesternacht besteht natürlich erheblicher Redebedarf. Und der besteht auch länger als die zweieinhalb Stunden, die Franziska Giffey sich zusammengesetzt hat - mit Sozialarbeitern, Streetworkerinnen, Bezirksbürgermeistern und auch mit Jugendlichen aus Neukölln selbst.
Der Gipfel war nur ein Gesprächsbeginn, das hat Giffey klargemacht, und das ist gut so. Und sie hat vor allem mit richtigen Leuten geredet. Mit Polizisten aus Neukölln, die ihre Klientel seit Jahren kennen, die erzählen, wie sehr es hilft, wenn sie nach Vorfällen zuhause bei den Jugendlichen auftauchen und mit den Eltern reden. Nach solchen Gesprächen hört es in der Regel auf mit der Gewalt.

Ein Vier-Punkte-Plan soll helfen

Mit Streetworkern und Sozialarbeiterinnen aus Neukölln, die jeden Tag mit den jungen Menschen sprechen, die an Silvester Gefallen an Gewalt gefunden haben. Die erleben Perspektivlosigkeit, werden stigmatisiert, auch von Behörden über einen Kamm geschoren, weil sie aus dem berüchtigten Kiez kommen. Und wenden sich dann im Silvesterexzess gegen die Vertreter dieses Staates, gegen die Polizei. Auf gar keinen Fall ist das eine Rechtfertigung für solche Taten, auch das wurde heute klar gestellt, aber sicherlich ein wichtiger Erklärungsansatz, um das Phänomen zu verstehen.
Giffey hat heute einen Vier-Punkte-Plan vorgestellt, um das Problem anzugehen: intensivere Sozialarbeit mit Elternhäusern, mehr außerschulische Jugendsozialarbeit, neue "Orte für Jugendliche" und konsequente Strafverfolgung. Dafür will sie einen zweistelligen Millionenbetrag bereit stellen.

Populistische Ansagen funktionieren nicht

Alle vier Punkte sind wichtig. Denn alle muss Berlin konsequenter angehen. Soziale Arbeit gibt es, aber nicht überall und nicht genug. Orte, an denen sich Jugendliche treffen können, verschwinden, Jugendzentren werden geschlossen in einer Stadt, die immer weiter verdichtet wird. Und konsequente – und vor allem schnelle Strafverfolgung bei jungen Menschen findet noch gar nicht wirklich statt. 
Giffey und der Berliner Senat haben heute das Rad nicht neu erfunden, aber das ist auch gar nicht nötig. Denn die Leute aus den Kiezen wissen, was funktioniert.
Was nicht funktioniert und wenig Sinn macht, sind populistische Ansagen wie die von CDU-Chef Friedrich Merz. Es geht bei den Silvesterkrawallen nicht – wie Merz sich auszudrücken pflegt -, um kleine Paschas, die man nach Regelverstößen ins Ausland abschieben sollte. Das ist Unsinn.

Politik war zu lange nicht konsequent

Es geht bei denjenigen, die an Silvester Straftaten begangen haben, um Berliner Kinder, Berliner Jugendliche, deren Eltern oftmals auch in Berlin geboren wurden. Sie leben in Gegenden mit sozialen Problemen, wo in der Tat Dinge schiefgelaufen sind – wo die Politik zu lange eben nicht konsequent gehandelt hat.
Die Antwort, wer sich nicht an Regeln halte, muss woanders hin, hilft null weiter, sagt Giffey. Da hat sie völlig recht. Ob das, was die noch Regierende Bürgermeistern heute angekündet hat, weiterhilft, da wird sich Giffey an der Umsetzung messen lassen müssen  Ein guter Gesprächsbeginn war das heute auf jeden Fall.