Archiv

Berliner Humboldt-Forum
Angkor-Wat-Reliefs werden restauriert

Ein fast vergessenes Prachtstück aus dem Museum für Asiatische Kunst wird jetzt für die Neupräsentation im Humboldt-Forum restauriert: Abgüsse von Reliefs aus der Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha. Seit den späten 90er-Jahren wurden sie nicht mehr im Museum für Asiatische Kunst gezeigt - nun werden sie rundum erneuert.

Von Christiane Habermalz |
    Eine Restauratorin arbeitet mit einem Pinsel an den Angkor Vat Reliefs.
    Die Reliefdarstellungen der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Vat wurden im 12. Jahrhundert von den Khmer geschaffen. (Thomas Trutschel)
    Es sind Szenen wie bei Hieronymus Bosch: Arme Sünder erleiden in der Hölle alle erdenklichen Qualen, einige werden mit heißen Zangen gezwickt, andere an stacheligen Pflanzen aufgehängt, deren Dornen sich durch ihr Fleisch bohren. Doch es sind Reliefdarstellungen der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat, geschaffen im 12. Jahrhundert von den Khmer. Was bei Hieronymus Bosch die Teufel sind, sind hier die Helfer des Totengottes Yama, der über die Sünden der Verstorbenen Gericht hält und sie in den Himmel oder in die Hölle schickt.
    "Je nachdem, was man getan hat, danach richtet sich die Art der Qual, die man dann in der Hölle erleiden muss. Zum Beispiel wenn man sehr gierig war, dann wird man ein Hungergeist, das heißt, dann kriegt man eine ganz dünne Schnauze und einen dicken Bauch, kann aber durch diese schmale Schnauze nicht wirklich was aufnehmen, das heißt man muss erst mal lernen, diese Gier zu besänftigen."
    Martina Stoye ist Kuratorin am Museum für Asiatische Kunst. Die prächtigen, über 200 Meter langen Reliefs wurden in Auftrag gegeben von König Suryavarman II, zu seiner Zeit einer der mächtigsten Herrschers Asiens. Neben dem eindrucksvollen Totengericht zeigen die Szenen hinduistische Legenden und mythologische Szenen, Kämpfe zwischen Göttern und Dämonen.
    Ab 1904 wurden die Abgüsse im Völkerkundemuseum gezeigt
    Lange lagen die Reliefs im Depot, jetzt sollen sie das zentrale Ausstellungsstück der Abteilung für Indische Kunst im Humboldt-Forum werden. Dabei sind es "nur" Gipsabgüsse. Doch dass sie überhaupt existieren, ist angesichts der kompletten Kriegszerstörung der Indischen Abteilung des Völkerkundemuseums, in dem sie ausgestellt waren, fast ein Wunder.
    "Es handelt sich hier nicht um Originale, das ist eine Debatte bei uns im Museum, stellt man Kopien zusammen mit Originalen aus, aber eigentlich stellen diese Kopien selbst schon wieder historische Objekte dar und dokumentieren Sammlungsgeschichte und auch Rezeptionsgeschichte, also wie man die Kunst Südostasiens sich nach und nach seit dem 19 Jahrhundert angeeignet hat."

    Die Ruine der Tempelanlage Angkor Wat wurde 1861 von französischen Kolonialbeamten entdeckt - und löste eine europaweite "Angkormanie" aus. Die Franzosen waren die ersten, die von den umlaufenden Reliefs einzelne Gipsabgüsse herstellten und in Paris zeigten. Bald wollten auch andere Museen, darunter das Berliner Völkerkundemuseum, unbedingt Kopien haben. Die Deutschen schickten schließlich eigene Abformer nach Kambodscha, die die 200 Meter zusammenhängende Relieffläche im sogenannten Abklatschverfahren, ähnlich der Pappmaché-Technik, abformten. Das hatte den Vorteil, dass die Formen leicht und gut zu transportieren waren.
    "Das war eine sehr teure Aktion, das hat damals 120.000 Reichsmark gekostet. Die wurden über Jahre in Raten bezahlt, und 1904 waren die Abgüsse dann fertig und wurden in die bestehende Ausstellung des Völkerkundemuseums in der Königgrätzer Straße eingebaut."
    Eine Restauratorin arbeitet mit einem Pinsel an den Angkor Vat Reliefs.
    Restaurierungsarbeiten an Reliefs der kambodschanischen Tempelanlage Angkor Wat in Berlin (Thomas Trutschel)
    Nach dem Zweiten Weltkrieg galt das Angkor-Wat-Relief als verloren
    Das vollständige Angkor-Wat-Relief im Völkerkundemuseum, auch wenn die einzelnen Abschnitte damals übereinander gehängt wurden, war eine Sensation. Nach dem Zweiten Weltkrieg galten sie als verloren, bis Anfang der 80er-Jahre 442 der historischen Papierformen in der Gipsformerei der Staatlichen Museen wiederentdeckt wurden. Davon konnten neue Güsse angefertigt werden, die bis 1997 in Dahlem ausgestellt waren, dann aber wieder im Depot verschwanden. Jetzt erfahren sie eine museale Renaissance und neue Wertschätzung, erklärt Museumsrestaurator Toralf Gabsch:
    "Der Wert dieser Reliefs ergibt sich natürlich auch zum Teil daraus, dass viel mehr zu sehen und zu erleben ist als das heute in Angkor selbst der Fall ist. Weil viele der Reliefs im Original auch schon verwittert, zerstört sind, auch durch Beschädigungen usw. Und die sind ja über hundert Jahre alt, und sie haben sozusagen einen Blick auf die Reliefs, wie sie vor über hundert Jahren in Angkor waren."
    Heute ist nur noch die Hälfte der Reliefs erhalten. Derzeit werden sie restauriert und mit einer neuen Rahmung und Armierung versehen. Im Humboldt-Forum sollen sie in ihrer ganzen Länge gezeigt werden - auf beiden Seiten einer langen Wand, die mitten im Raum steht. Kuratorin Martina Stoye kann sich sogar vorstellen, sie mit Hiernonymus Bosch zusammen zu präsentieren. Auch wenn die Höllendarstellungen im Hinduismus und Buddhismus weitaus vielfältiger und differenzierter sind als in der christlichen Mythologie:
    "Wir werden dann auch eine ganz wunderbare Handschrift in der Südostasienabteilung haben, 'Traiphum' heißt das, das heißt so viel wie "Drei Welten', die ist im 18. Jahrhundert in Thailand hergestellt, ein Leporello von 33 Meter Länge, auf der ein König versucht hat, den ganzen Kosmos nach buddhistischer Vorstellung abbilden zu lassen, mit allen Höllen, Erdenreichen und Himmeln, und das wird dann in wunderbaren Dialog mit diesen Reliefs von Angkor Wat treten."