Adalbert Siniawski: Die vergangene Berliner Fashion Week endete mit einem Dämpfer - nämlich der Nachricht, dass der große Sponsor Mercedes Benz und die Eventagentur "IMG" aus den USA ihre Zusammenarbeit nach gut zehn Jahren einstellen. Im Januar gäbe es keine Fashion Week. Und doch haben sich die Schwaben entschieden, das Event zu unterstützen, damit die Berliner Modewoche die Trends für die Saison Herbst/Winter 2018 zeigen kann.
Gestern Abend war die Auftaktveranstaltung im Berliner E-Werk - neuer Ort, neuer Style, möchte man sagen. Unsere Modereporterin Gesine Kühne ist bei der Berlin Fashion Week dabei. Was hat sich nun augenscheinlich verändert, außer, dass das glamouröse Zelt am Brandenburger Tor ausgedient hat?
Gesine Kühne : Wir sind umgezogen ins E-Werk, das ist ja auch ein schöner, industrieller Ort, der passend zu Berlin ist. Mercedes Benz ist dabei geblieben, wie erwähnt, wollte aber neue Veranstaltungskonzepte, das heißt weniger Schauen. Auch um die ganze Sponsorenplakatierung zu verringern und Fokus auf Nachwuchsförderung.
Einiges bleibt gleich: die Messen zum Beispiel, die vor allem für Einkäufer wichtig sind, weil dort für die Geschäfte bestellt wird. Zu den Bekannten wie Premium, Panorama, Show & Order und natürlich Greenshowroom für nachhaltige Mode kommen noch einige neue Formate, zwei ganz spezielle, nämlich eine Messe nur für Kindermode und eine für Gentleman-Herrenmode. Insgesamt gibt es diesmal neun Messen. Das ist ein ordentliches Programm.
Fashion Week kommerziell - Modesalon speziell
Siniawski: Was ist aus den großen Modenschauen geworden, bei denen sich Bloggersternchen und C-Prominente die erste Reihe teilen mussten?
Kühne: Die gibt es - wie schon gesagt im E-Werk. Aber nicht viele, dafür aber kommerziellere Labels. Die schon ein bisschen mehr Geld, ein besseres Standing haben, um sich solche Schauen auch zu leisten. Und um den Kommerz noch ein bisschen zu unterstreichen, werden diese Schauen zum ersten Mal auf großen Leinewänden im Livestream gezeigt. Mode-Public-Viewing im Schnee.
Die Betonung "kommerzielle Labels" ist wichtig, denn der Veranstalter ist derselbe wie der des Berliner Modesalons. Der Berliner Modesalon hat vor ungefähr drei Jahren seine Türen geöffnet als Plattform für Labels, die unglaublich wichtig in der deutschen Modeszene sind, sich aber diese teueren Modenschauen nicht leisten können oder wollen. Nun sind beide Konzepte aus demselben Haus.Und deshalb muss es da eine Unterscheidung geben: E-Werk kommerziell und Berliner Modesalon dieses Spezielle, Berlinerische.
Siniawski: Ich habe von einem sogenannten "Fashion Hab" gelesen. Was verbirgt sich dahinter?
Kühne: Das ist auch ein ganz neues Konzept. Auch vom Sponsor unterstützt. Damit die Fashion Week nicht in völliger Bedeutungslosigkeit untergeht, gibt es hier eine Zusammenarbeit mit einem italienischen Eventmacher, das holt Designer in Berlin, die noch nie in Berlin gezeigt wurden. Hier wird zum Beispiel der gebürtig kroatische Designer Damir Doma nach Berlin geholt, um seine Männer- und Frauenkollektion zuerst bei uns zu zeigen. Domar ist auch in Deutschland aufgewachsen, war in Berlin an der Design-Uni, ist aber aus Karrieregründen ins Ausland gezogen, wohnt und designt inzwischen in Mailand und zeigt normalerweise in Paris und Mailand seine Entwürfe. Der zeigt am Mittwoch seine Kollektion in Berlin zuerst und das noch im Berghain, weil er eh so dunkle Mode macht, da passt das ganz gut hin.
"Keinen Mut, keinen Willen, kein Selbstbewusstsein"
Siniawski: Was ist denn das Problem der Berliner, beziehungsweise deutschen Mode, dass nach gut zehn Jahren Fashion Week quasi auf Neuanfang gesetzt wird?
Kühne: Die Branche krankt seit Jahren an dem Problem: Kunde. Der Deutsche hat keinen Mut, keinen Willen, kein Selbstbewusstsein, sich auf neue Designer einzulassen. Denn die Designs aus Berlin und auch dem restlichen Deutschland sind weder zu kühl noch untragbar. Sie sind ein bisschen teurer, weil sie in kleinen Auflagen entstehen, oft in Deutschland produziert werden. Dass heißt, wenn sie dann mal in einer Boutique landen, hängen sie neben etablierten internationalen Marken wie Gucci oder Prada. Und zu denen greift der Kunde dann eher. Eine Sissi Goetze hat das Glück, ihre Männermode im Concept Store "Voo" in Berlin verkaufen zu können, aber dass es ihr Label noch gibt, hat sie vor allem dem japanischen Markt zu verdanken, weil sie dahin am meisten verkauft. Und das schon seit Jahren.
Siniawski: Glauben Sie, die neue Fashion Week bringt eine Veränderung in der Wahrnehmung deutscher Mode?
Kühne: Das muss man tatsächlich abwarten. Ich stehe zur Fashion Week, egal wie oft sich darüber lustig gemacht wird, weil ich vom Können der Designer überzeugt bin und diese eine Plattform brauchen, um nach außen hin strahlen zu können. Neben Show and Shine ist es aber vor allem wichtig, dass sie das Vermarkten lernen und zwar nicht erst, wenn sie Jahre dabei sind - dann kann es nämlich schon zu spät sein und die Marke geht ein - sondern an der Modeschule muss der Businessaspekt neben Kreativität gleichwertig behandelt werden. Kreativ allein reicht leider nicht zum Überleben.
Siniawski: Kommen wir zum Schluss noch auf die gezeigten Entwürfe für Herbst/Winter 2018 und ihre Designer zu sprechen - Sie haben Damir Doma schon erwähnt, aber worauf freuen Sie sich noch besonders?
Kühne: Ich freue mich am meisten auf William Fan, der heißt Fan wie "Fan" geschrieben, er ist ein spaßiger, junger Designer, der sehr viel Modemut beweist, einfach durch Farben und auch Retroperspektive auf die 90er Jahre. Das hat er im Sommer gut bewiesen und ich hoffe, dass es im Winter genau so ist.
Siniawski: Gesine Kühne, Modereporterin von Corso über die Berliner Fashion Week. Vielen Dank.
Kühne: Gerne.
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