Am frühen Nachmittag aus der Mongolei zurückgekehrt, verurteilte die Bundeskanzlerin den Putschversuch, wie sie sagte, "auf das Schärfste".
"Es ist und bleibt das Recht des Volkes in freien Wahlen zu bestimmen, wer es regiert. Für politische Veränderungen muss im Rahmen der politischen Institutionen und gemäß den demokratischen Regeln geworben werden. Panzer auf den Straßen und Luftangriffe gegen die eigene Bevölkerung sind Unrecht."
Seit gestern Abend hält das Krisenzentrum im Auswärtigen Amt Kontakt zur Botschaft in Ankara und zum Konsulat in Istanbul. Angela Merkel mahnte deutsche Staatsbürger in diesen beiden Zentren des Aufstands zur Umsicht. Die Sicherheit der Bundeswehrsoldaten in Incirlik sei gewährleistet, so die Bundeskanzlerin weiter.
Türkei braucht Demokratisierung
In der politischen Beurteilung der dramatischen und tragischen Ereignisse in der Türkei ist man sich in Deutschland einig. Die Türkei brauche weder eine Militärdiktatur noch den Terrorpaten Erdogan, sondern Demokratisierung, so die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht. Ähnlich äußerte sich Justizminister Heiko Maas, SPD, der via Twitter meinte: Es gibt nur einen Weg des Machtwechsels, Wahlen! Für die Grünen reagierte Katrin Göring-Eckhardt, die Fraktionsvorsitzende ihrer Partei, so:
"Es geht um Demokratie, es geht um Menschenrechte in der Türkei, was aber nicht geht, dass mit einem Militärputsch erreichen zu wollen und deswegen muss jetzt alles dafür getan werden, dass es Deeskalation gibt, dass die Zivilbevölkerung geschützt wird, Demokratie heißt nicht, und das sage ich an die Adresse von Herrn Erdogan, der ja auch von Vergeltung spricht, dass man noch schlechter mit Minderheiten umgeht, dass man noch mehr Unterdrückung macht, dass man noch mehr Zivilgesellschaft in den Knast bringt."
In der vergangenen Nacht gingen in Deutschland bundesweit mehrere Tausend Menschen auf die Straße, um sich mit Erdogan zu solidarisieren. Größere Versammlungen gab es in Berlin, Essen und Duisburg. In den Bewertungen deutscher Politiker war die Befürchtung, Präsident Erdogan werde die Situation nutzen, um seine ohnehin schon starke Position weiter auszubauen, in fast allen Stellungnahmen zu hören. Angela Merkel:
"Gerade im Umgang mit den Verantwortlichen für die tragischen Ereignisse der letzten Nacht kann und sollte sich der Rechtsstaat beweisen."
Beitritt zur Europäischen Union scheint sehr weit entfernt
Nach vorn geschaut gilt für die Bundesregierung: Der Stellenwert der Türkei als unverzichtbarer Partner in der NATO, im Anti-Terror-Kampf, in Migrationsfragen ist unverändert hoch und auch Alexander Graf Lambsdorff, FDP, Vizepräsident des Europäischen Parlaments sagt, wir brauchen gute und enge Beziehungen zur Türkei, es gebe keinen Anlass, den Flüchtlingsdeal in Frage zu stellen, so Lambsdorff im Deutschlandfunk. Gleichzeitig macht er sich keine Illusionen:
"Präsident Erdogan baut die Türkei seit Jahren um, er hat ein großes Ziel, das ist, bis zum Jahr 2023, dem hundertsten Geburtstag der türkischen Republik aus einer kemalistischen, säkular geprägten Republik ein islamisch geprägtes Land zu machen. Das ist sein großes Ziel, nur so ist ja zu erklären, dass einige in der AKP gesagt haben, es handele sich bei diesem Putsch um ein Geschenk."
Ein möglicher Beitritt zur Europäischen Union scheint wenige Stunden nach den Schüssen in Ankara und Istanbul sehr, sehr weit entfernt. Nicht ausgeschlossen, dass Erdogan Kritiker auch geplante und umstrittene Maßnahmen wie die Visa-Erleichterung für die Türkei jetzt erneut in Frage stellen.