Seit Frauen auf der Bühne in Männerkleidern auftreten, haben Zuschauer das Vergnügen, die im Alltag meistens nur unbewusst wahrgenommenen Formen des männlichen Verhaltens genau zu studieren. Denn wenn ein Frauenkörper nicht nur in Hemd und Hose auftritt, sondern sich plötzlich auch wie ein Männerkörper bewegt, dann wird deutlich, dass auch das Verhalten von Männern im Alltag nichts Natürliches ist, sondern dass Mannsein performt und gelernt sein will. Klassischerweise gibt es auf der Bühne oft nur eine solche Hosenrolle. An ihr kann dann eine ganze Aufführung lang die genderspezifische Wahrnehmung nachgeschärft werden:
Auch alle anderen Akteurinnen und Akteure sieht man, pardon: sieht "frau" plötzlich mit anderen Augen. Im "Status quo" der Schaubühnendramaturgin Maja Zade treten nun aber für zwei Stunden alle Frauen im Verhaltensgewand der Männer auf: Und Alle Frauen verhalten sich wie selbstverständlich im Modus männlicher Dominanz, egal ob im Hosenanzug oder im Kittel. Darunter leidet Florian, den das Stück in gleich drei Varianten vorführt, als jungen Angestellten in einer Immobilienagentur, als Mitarbeiter eines Drogeriemarktes, als Nachwuchsschauspieler, aber auch als Ehemann.
"- alle Frauen verdienen mehr als Männer!
-Du hast grad einen neuen Job angefangen, ich bin seit zehn Jahren
Steuerberaterin, das ist doch völlig klar, dass ich mehr verdiene als Du
-Aber auch wenn ich seit zehn Jahren Makler wäre, würdest du mehr
Verdienen als Steuerberaterin
-als Frau
-Das gehört doch jetzt in keinster Weise zum Thema
-Doch, weil du nie kochst."
Einfach nur alles verkehrtherum
Der Ehestreit, ein Abbild der Geschlechterungerechtigkeit in umgekehrter Rollenverteilung. Recht schematisch hat Maja Zade den Krieg der Geschlechter umgepolt und dabei eine auch nicht gerade neue Begrifflichkeit eingeführt. Bei der Wohnungsbesichtigung sagt Florian, den alle Frauen systematisch verkürzend als Flo anreden z.B. "Wenn frau sich nicht wohlfühlt, bleibt frau nicht so lange in einer Wohnung". Bei Gespräch über Pflegeberufe ist vom "Krankenbruder" die Rede, und dass das Telefon im Immobilienbüro immer erreichbar sein, also immer "befraut" sein muss, betont Alphaweibchen Sabine, Chefin der Immobilienagentur.
In kurzen Sketchen spielt die Autorin typische Situationen privater und beruflicher Frauenherrschaft durch und all das würde ganz schnell eintönig, hätte Regisseur Marius von Mayenburg die Szenen nicht zu einem einzigen Bewegungsstrom verbunden. Alle 29 Figuren des Stücks rund um den in drei Varianten auftretenden Protagonisten Florian werden von nur drei Schauspielerinnen und zwei Schauspielern verkörpert. So sieht "frau" und "man", wie aus Jule Böwe als smarter Maklerin im schicken dunkelgrauen Hosenanzug die frustrierte, "Kaffee" trinkende Filialleiterin Daniela wird, wie soziale und geografische Herkunft die Geschlechterrolle überformen. Prollig und derb, sexuell übergriffig ist diese Daniela, wenn sie einem still vor sich hin leidenden Florian eine Massage mit einer neu ins Drogerieprogramm aufgenommenen Bodylotion aufnötigt. Moritz Gottwald spielt das Sexobjekt, auch als der junger Schauspieler, den sich die coole Intendantinnen-Regisseurin Bettina, auch sie spielt Jule Böwe, nackt auftreten lässt und zum Gelegenheitslover nimmt. Erotik als Kernproblem im Geschlechterkampf. Marius von Mayenburg ergänzt das Stück mit Showeinlagen, die Moritz Gottwalds ziemlich überzeugendes Spiel dann auch queere Facetten erlauben.
Die Strategien sind die gleichen
Die kleine halbrunde Bühne in der Absis des Schaubühnenhauses lädt ein zu einem bühnenoffenen Spiel vor einem Dekor, das aus lauter bunten Kunststoffstreifen besteht. Die Shorts, in denen die beiden Männer gelegentlich auftreten, sind hübsche Entsprechungen zum Minirock und einer der Momente, in denen die Aufführung das Frau- oder Mannsein auch über die Bekleidung deutlich macht. Aber im Kern sind hier verbale und körperliche Verhaltensunterschiede gemeint. Jule Böwe ist in allen Rollen immer die lakonisch Dominante, Marie Burchard immer die zynisch Hinterhältige, Lukas Turtur immer der Konkurrent im Kampf ums Begehrtwerden und Jenny König immer die zurückhaltend Einfühlsame. Mit ihr als Freundin des Florian skizziert Stück und Regie Momente eines netten Verhältnisses von Frau und Mann, eine Beziehungsidylle, die so lange funktioniert, solange da keiner Macht haben will. Der Rest ist Theater der Abziehbilder, wobei man und frau sich fragt, ob es diese Typen im wirklichen Leben überhaupt noch gibt, und ob hier der Feminismus der 70er Jahre aufgewärmt wird. In der zweiten Hälfte der Aufführung sind alle Reize der Gender-Farce ausgeschöpft. Und ihr fehlt ein wesentliches Element: Florian spielt Unterwerfung, nicht aber traditionell weibliche Strategien von Macht über und Einfluss auf Männer. Und deshalb fehlt dieser umgepolten Aufführung, genau wie dem von Gleichberechtigung noch weit entfernten, wirklichen Leben, die andere Hälfte des Himmels.