Seit fünf Jahren haben international bekannte Fotografen das Ensemble der Berliner Schaubühne künstlerisch porträtiert. Schauspieler wie zum Beispiel Mark Waschke mal in Badehose, mal gespensterhaft-poppig durch eine Spiegelung, Nina Hoss frisch aus der Umkleide mit Badetuch oder pastellfarben verträumt. In höchst unterschiedlichen Herangehensweisen, immer mit Blick auf die Persönlichkeit der einzelnen Schauspieler, entstanden Fotoplakate, die als urbane Ausstellungen in Berlin zu sehen waren und morgen Abend erstmalig als Fotobuch präsentiert werden. Am Telefon erreichte ich während der Proben zu seinem neuesten Stück Thomas Ostermeier, den künstlerischen Leiter und Regisseur der Schaubühne.
Thomas Ostermeier: Hallo.
Achim Hahn: Aus welcher aktuellen Probenarbeit reißen wir Sie denn gerade heraus?
Ostermeier: Ich probe gerade Ödön von Horváth, "Italienische Nacht".
Starfotograf in Badehose
Hahn: Spannend. Aber darüber wollen wir jetzt nicht sprechen, sondern über Ihre Fotokampagnen 2013 bis 2018, die es jetzt als opulenten Fotoband gibt. Wie hat das angefangen, vor fünf Jahren? Das waren ja Fotos für Werbeplakate für Ihr Theater - aber auf eine sehr eigene Art und anders, als man es von Theaterfotografie gewohnt war.
Ostermeier: Es gibt ja immer schon, seit es Theater gibt, das klassische Theaterplakat, auf dem eine Produktion beworben wird: wo dann der Titel des Stücks draufsteht und der Regisseur vielleicht noch, der Autor sowieso. Und wir hatten aber uns überlegt, wir wollen mal was Neues machen; und wir wollen das, wofür wir als Theater auch identifiziert werden wollen, nämlich das Ensemble, mehr in die Stadt bringen. Und wir wollen jeden einzelnen Schauspieler auf einem Plakat in der Stadt zeigen und von daher eine Porträtfotografie machen – aber mit Künstlern, Fotografen, die eine besondere Handschrift haben und die unsere Schauspieler besonders in Szene setzen. Und nicht diese klassischen Theaterplakate in der Stadt zeigen.
Das war der Anfang und dann ging es mit Juergen Teller los. Gleich ein Auftakt mit einem ganz besonderen Fotografen, der einen ganz besonderen Stil hat. Das ist ja immer so ein bisschen aus der Horizontalen rausgerückt, dass er noch analog fotografiert, ich glaube, das war eine der letzten Fotostrecken, die er gemacht hat, die er noch analog fotografiert hat. Und er hat zu uns gesagt, er möchte das gleich in einem besonderen Milieu machen. Und wir waren dann am Stadtrand von Berlin auf einem alten Campingplatz mehrere Tage und er hat sich da mit der ganzen Person reingeschmissen. Auf einem Plakat sieht man ihn selber, wie er fotografiert, in Badehose im Wasser stehend.
Hahn: Besonders eindrucksvoll auch Lars Eidinger als Wasserleiche beispielsweise, in dieser Serie.
Ostermeier: Ja, die Wasserleiche, das war vor allem unter dem Motto: "Lass mich den Löwen auch noch spielen", da wollte er eben aus der Hamlet-Inszenierung, in der er Hamlet spielt, auch mal Ophelia spielen, die ja ins Wasser geht.
Wir haben noch länger mit Thomas Ostermeier gesprochen -
Hören Sie hier die Langfassung des Corsogesprächs
Hahn: Die Fotografen selbst sind ja durchweg sehr renommiert – warum haben Sie sich gerade für diese Fotografen entschieden?
Ostermeier: Das ist eine Mischung. Das erste war Juergen Teller, das war sozusagen ein besonderer Wunsch, mit ihm anzufangen. Und dann ging es damit los. Die nächsten Fotografen waren Ute und Werner Mahler, waren ganz klarer Kontrapunkt zu dem, was Juergen Teller gemacht hat, also eine sehr strenge, sehr stilisierte Fotografie in Schwarz-Weiß. Pari Dukovic, ein sehr junger Fotograf, der in New York arbeitet und eher eine Pop-Ästhetik bedient und sehr unterschiedlich die Schauspieler in Szene gesetzt hat. Das war mehr oder weniger der Versuch zu gucken, wer interessiert uns an Fotografen und wer kann gleichzeitig auch – weil die meisten, oder eigentlich alle, haben ohne ein besonderes Honorar gearbeitet, sondern eher aus einer good-will-Aktion heraus.
Brigitte Lacombe, die dann die nächste war in der Folge, hat wieder sehr klassische Porträtfotografie gemacht, das ist eine Set-Fotografin von Scorsese zum Beispiel. Paolo Pellegrin hatte ich mal kennengelernt in Venedig, wo er mich für das Zeit-Magazin fotografiert hat. Das ist eigentlich ein Kriegsreportage-Fotograf von der Magnum-Agentur, der mit Porträts eigentlich gar nicht so viel anfangen kann auf den ersten Blick und sich dann aber aufgrund der Bekanntschaft darauf eingelassen hat und gesagt hat, ja, ich will aber was Besonderes probieren. Und der hat dann versucht, sehr psychologische Porträts, wie er das nennt, zu machen. Also, er hat versucht, an den Kern der Schauspieler, an die seelische Verfasstheit ranzukommen, hat sehr viel mit Licht und Schatten gearbeitet, um über die Porträts was zu erzählen, was in den tieferen Schichten der Persönlichkeiten vorgehen könnte.
Fotografische Objektivität als frommen Wunsch entlarvt
Hahn: Das sind ja nun vollkommen andere Fotografen-Strategien, die man jetzt im Buch konkret miteinander vergleichen kann. Sie kennen Ihre Schauspieler sehr genau – gab es für Sie überraschende Facetten, die da zum Vorschein kamen?
Ostermeier: Für mich ist das Überraschendste, wie stark doch der Blick und der Stil des Fotografen den Porträtierten prägt. Das heißt, das, was eigentlich in dem Begriff "objektiv" drin ist, dass man objektiv jemanden ablichten könnte, entlarvt dieses Buch in einer schönen Art und Weise als einen frommen Wunsch, weil objektiv kriegt man niemanden vor die Kamera. Das ist immer dadurch geprägt, wer fotografiert.
Hahn: Wie groß waren diese Plakate denn überhaupt?
Ostermeier: Das waren diese richtig großen Formate. Und dann im Stadtbild eben über mehrere Meter, was, glaube ich, auch ein Anreiz war für die Fotografen, weil sie dann aus dem Galerie- oder Museumskontext rausgekommen sind. Wenn man durch die Stadt gegangen ist, ja, eine Fotoausstellung hatte, wo man keinen Eintritt zahlen musste und die sich jeder angucken konnte. Ich weiß, dass das für viele der Grund war, zuzusagen.
Hahn: Haben das denn die Berliner überhaupt registriert, dass sie da Fotos von ganz berühmten, beziehungsweise herausragenden Fotografen im urbanen Getümmel zu sehen bekamen?
Ostermeier: Ich glaube, ja. A) hat es dazu geführt, dass viele Theater mittlerweile auch mit diesen Porträts arbeiten. Ich glaube, die waren sehr inspiriert davon. Und wir haben ganz viel Feedback bekommen von Zuschauern, die Plakate kann man ja bei uns im Haus auch kaufen, die werden sehr gerne gekauft, mittlerweile auch als Unterschrift. Und morgen in der C/O-Galerie werden auch viele Schauspieler anwesend sein, die dann entweder noch mal unterschreiben oder schon unterschriebene Plakate, die verkauft werden.
Nach Buchpremiere gibt's Party mit DJ Lars Eidinger
Hahn: Morgen Abend gibt es die Buchpremiere des Fotobuches "Fotokampagnen der Schaubühne Berlin von 2013 bis 2018", ab 20 Uhr im C/O Berlin. Danach ist Party angesagt, mit DJ Lars Eidinger. Ist das eigentlich eine neue Facette Ihres Schauspielers oder ist der auch so ein Partylöwe?
Ostermeier: Nee, so neu ist die ja nicht, das macht er ja immer schon. Ich glaube, der hat schon Platten aufgelegt, bevor er Schauspieler geworden ist. Durch seine Bekanntheit kommen jetzt einfach viel, viel mehr, wenn er Platten auflegt.
Hahn: Thomas Ostermeier, vielen Dank für dieses Gespräch.
Ostermeier: Ja, bitteschön, Danke an Sie.
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