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Berliner SPD nimmt Wowereit wegen Flughafen BER in Schutz

Wie viel Verantwortung trägt Klaus Wowereit (SPD) als Aufsichtsrat für die Pannenbaustelle des Berliner Flughafens? Wenn es nach Parteikollege Ole Kreins geht: keine. Es liege nicht an der Frage des Aufsichtsrates, wenn eine Baustelle nicht fertig werde. Wowereit selbst will heute über die weitere Entwicklung informieren.

Das Gespräch führte Sandra Schulz | 30.08.2012
    Sandra Schulz: Zweimal ist die Eröffnung schon abgesagt worden. Wann ein Start zu machen ist mit dem neuen Berliner Großflughafen BER, das wissen wir heute Morgen nicht, denn auch der Termin im März im kommenden Jahr, der zuletzt angepeilt war, der steht alles andere als in Stein gemeißelt. Der Berliner Tagesspiegel zitiert aus Aufsichtsratskreisen, als sehr wahrscheinlich gelte ein Szenario 2014. Heute will Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister in Berlin und Aufsichtsratsvorsitzender, dem Abgeordnetenhaus den Stand der Dinge erläutern. Der Erklärungsbedarf, der ist ja erheblich, und darüber wollen wir in den kommenden Minuten auch sprechen. Am Telefon begrüße ich Ole Kreins, den verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Guten Morgen, Herr Kreins.

    Ole Kreins: Guten Morgen, Frau Schulz!

    Schulz: Wird der Flughafen vor 2014 eröffnet?

    Kreins: Das weiß ich heute noch nicht und das kann man eigentlich auch nicht mit Sicherheit sagen, weil, das hängt davon ab, ob wir die Entrauchungs- und Brandschutzanlage rechtzeitig fertig bekommen. Jeder der jetzt behauptet, der Flughafen würde erst 2040, 2014 fertig werden, ...

    Schulz: Auch ein Szenario, 2040.

    Kreins: Na kein gutes für Berlin, wenn es 2040 wäre. – ... , diejenigen müssen ja irgendwo her ihre Informationen haben, und wenn es eben im Tagesspiegel nur steht, dann bin ich da auch skeptisch. Wichtig ist, was uns die Techniker am Flughafen sagen.

    Schulz: Warum ist es denn so schwierig – wir haben ja jetzt August 2012 -, inzwischen wenigstens verlässliche Prognosen zu machen?

    Kreins: Weil diese Probleme mit dieser Brandschutzanlage so komplex sind, dass sie scheinbar nicht so schnell gelöst werden können. Die Brandschutzanlage ist in verschiedenen Losen ausgeschrieben worden, verschiedene lokale Unternehmen haben sich beworben, und das Problem an dieser Brandschutzanlage ist, sie harmoniert nicht miteinander. Die Brandschutztüren harmonieren nicht mit der Entrauchungsanlage, die Feuermelder nicht mit der Sprinkleranlage, und das ist im Großen und Ganzen das Problem, dass diese Anlage nicht zusammenpasst, und da haben wir das Problem, dass die Planungen nicht so eindeutig sind und dass man jetzt nicht einfach irgendwelche Komponenten so leicht austauschen kann.

    Schulz: Jetzt kam die Absage, die Mitte des Jahres kam, ja sehr, sehr knapp, nur vier Wochen vor der geplanten Eröffnung. Selbst wenn jetzt ein Eröffnungstermin stünde, wer würde dann garantieren, dass das dann tatsächlich auch der Eröffnungstermin wäre?

    Kreins: Es gibt so einen Prozess, den man vorher gehen muss. Die Brandschutzanlage soll bis Dezember fertig sein. Sie soll dann geprüft werden von den bauausführenden Firmen, das sind ja keine Unbekannten, das sind ja große Unternehmen. Dann wird sie vom TÜV abgenommen und vom Bauamt des Landkreises Dahme-Spree und dann ist der Termin zu halten. Aber wenn man dann im Dezember merkt, diese Anlage wird nicht fertig, dann kann man schon sagen, der Termin verzögert sich ein weiteres Mal. Aber das sind so die Meilensteine, würde ich mal sagen, bis zur Eröffnung.

    Schulz: Wer ist verantwortlich für die Pannenserie?

    Kreins: Oh, da liegen viele Verantwortlichkeiten. Die Frage, an welcher Stelle die Planer gut geplant haben, an welcher Stelle Baupfusch stattgefunden hat, an welcher Stelle nicht rechtzeitig informiert worden ist, die Geschäftsleitung und auch von der Geschäftsleitung an den Aufsichtsrat, da gibt es viele Verantwortungen. Ich glaube, eine einfache Schuldfrage kann ich hier nicht beantworten.

    Schulz: Was Sie jetzt noch nicht angesprochen haben ist – und das ist meine nächste Frage -, welche Verantwortung hat denn der Vorsitzende des Aufsichtsrates? Das ist ja Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit.

    Kreins: Er muss quasi die Geschäftsführung instruieren zu handeln, und das hat, soweit ich die Protokolle nachlesen konnte, auch immer stattgefunden. Auch bei der Frage, wann eröffnet worden ist, hat Klaus Wowereit dezidiert nachgefragt. Nun kann man als Aufsichtsrat immer nur so gut sein, wie die Geschäftsführung informiert. Da sind ja auch schon personelle Konsequenzen gezogen worden: Der Technikchef ist entlassen worden, das Planungsbüro wurde gewechselt. Also da gab es schon Verantwortlichkeiten und die sind dann auch wahrgenommen worden. Ich glaube nicht, dass es an der Frage des Aufsichtsrates liegt, wenn eine Baustelle nicht rechtzeitig fertig wird.

    Schulz: Aber die Ungewissheiten, die sind ja, wenn wir aufs Krisenmanagement schauen, über die letzten Wochen eher noch gewachsen. Spricht das nicht auch dafür, dass da auch ein Aufsichtsratsvorsitzender möglicherweise überfordert ist? Das sieht die Opposition jetzt so.

    Kreins: Das glaube ich nicht. Die Unsicherheiten haben sich ja im Bezug auf die Kostenfragen entwickelt. Da muss man ganz klar sagen, weil wir noch nicht die Kosten in Gänze überblicken können, beispielsweise: Wen verklagt das Land Berlin oder wen verklagt die Flughafengesellschaft für die Verspätung beim Bau, oder gibt es Klagen der Fluggesellschaften. Von daher haben wir eine Kostenunsicherheit. Ansonsten ist die Frage eben zu klären, und das sind die Aussagen, die ich kenne, und an die kann man sich auch halten, denn wenn das geklärt ist mit der Rauchabzugsanlage und der Brandschutzanlage, dann kann man auch definitiv sagen, wann es losgeht. Vorher ist man irgendwie immer beim Orakeln und das ist auch das, was die Medien gerade derzeit ein bisschen machen. Sie orakeln und Sie haben ja gerade eben zitiert aus Kreisen des Aufsichtsrates. Das sind ja nicht benannte Personen, und damit ist es dann auch schwierig, immer mit solchen Prognosen umzugehen. Ich bin lieber für Fakten und da warte ich lieber die Aufsichtsratssitzung ab und lasse mir dann im Plenum oder im Beteiligungsausschuss gerne berichten.

    Schulz: Jetzt haben Sie gerade die Kosten schon angesprochen. Von gut einer Milliarde Euro Mehrkosten wird ja schon ausgegangen. Wo kommt das Geld her?

    Kreins: Das muss einerseits die Flughafengesellschaft stemmen, das müssen andererseits aber auch die Eigentümer – das sind die Länder Berlin-Brandenburg zu je gleichen Teilen und zu einem etwas geringeren Teil der Bund – als Darlehen oder Einlagen organisieren. Da gibt es Gespräche miteinander, aber wir wissen auch noch nicht so genau, wie lange das Geld bei der Flughafengesellschaft reicht. Ob wir einen Nachtragshaushalt im November oder Dezember brauchen für das nächste Jahr, das kann ich jetzt auch noch nicht abschätzen, weil da müsste man tatsächlich in den aktuellen Geschäftsbericht gucken, und die Zahlen sollen ja erst am 14. September zum nächsten Aufsichtsratstermin bekannt gegeben werden.

    Schulz: Die Probleme fallen jetzt politisch natürlich auch oder vor allem dem Berliner Regierenden Bürgermeister auf die Füße, Klaus Wowereit. Ist er noch der Richtige an der Spitze der SPD?

    Kreins: Klaus Wowereit hat mit 99 Prozent den allerhöchsten Bekanntheitswert. Er ist natürlich und auch die SPD wegen des Flughafens in einer schweren Zeit. Aber Klaus Wowereit ist und bleibt die Nummer eins der Berliner SPD.

    Schulz: Aber in der Beliebtheit der Berliner ist er ja kürzlich abgerutscht auf Platz zehn. Das spielt keine Rolle?

    Kreins: Das passiert gelegentlich. Das hatten wir vor zwei Jahren auch schon. Damals mochten alle Frau Künast sehr und jetzt ist Klaus Wowereit Regierender Bürgermeister. Ich denke, er wird das Problem lösen.

    Schulz: Ole Kreins, der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus und hier heute in den "Informationen am Morgen" im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank.

    Kreins: Bitte sehr.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.