Es begann mit einer Enttäuschung. Festspielintendant Thomas Oberender erklärte bei seiner Begrüßungsansprache, dass der Regierende Bürgermeister Müller verhindert sei und dass der Preis daher von Kultursenator Klaus Lederer überreicht werden würde. Dann sagte er über Herbert Fritschs Theaterarbeit:
"Herbert, du hast einmal gesagt, dass der Mensch unverletzbar ist, wenn er spielt und vielleicht ist das die eleganteste Art mit dem Ende einer unfassbar fruchtbaren Ära am Mutterhaus aller Volksbühnen umzugehen. Ich erinnere mich an Deine erste Einladung zum Theatertreffen 2011, da warst du gleich zweimal mit Inszenierungen nach Berlin gekommen. In den Schlussapplaus der Bieberpelzpremiere brüllte damals Claus Peymann: Werd wieder Schauspieler, Herbert, Regie kannste nicht. Kapitale Fehleinschätzung!"
Die Pointe für sein Lob auf Herberts Fritsch Bühnenarbeit mit einem Tadel am ebenfalls aus dem Berliner Kulturleben scheidenden Claus Peymann zu verbinden, war vielleicht nicht besonders stilvoll, bot aber eine Steilvorlage für in Zwischenspielen lustig gaukelnden Fritsch-Akteure, die den Laudator als einen Herrn Claus Castorf ankündigten.
"Ja, also Frank Castorf heiße ich, bin befreundet mit Claus Peymann. Claus Peymann macht mir immer wieder Spaß, wie kein anderer. Stimmt wirklich, wir sind wirklich Freunde geworden im Alter. Ja, was ist das mit Herbert, es gibt den Gedanken in der Philosophie von Descartes: "Ich denke also bin ich". Da war’s, dass man versucht hat, zu fragen, wie ist denn da die Eigenständigkeit des Körpers. Wir machen ja alles in dem Denken, diese Maschine, die Natur in uns zu disziplinieren, zu harmonisieren. Der umgekehrte Weg ist interessant, das Nachttiefe, das Schlafwandlerische. Dass der Mensch nicht weis: Was macht diese Maschine mit uns? Sie zwingt uns zu einem anderen Denken. Das ist eigentlich etwas, das Körperliche, das Exzessive, das immer um die Wirkung Wissende. Übrigens ist Herbert Fritsch in allen seinen Filme in den Theaterstrapazen, die er uns mit Lust zugebilligt hat, er war immer auf der Spur nach der Nachttiefe, und ich freu mich vor allem, dass er so lange so durchgehalten hat."
Nach Castorfs frei assoziierender Rede, die keine Laudatio im traditionellen Sinne war, sondern eine Huldigung des Freundes, kam wiederum Fritsch Ensemble in seinen wilden barock ausladenden und farbenprächtigen Kostümen auf die Bühne und dekomponierte die Jurybegründung zu einer dadaistischem Nonsense-Wortwolke.
Frust statt Freude beim Preisträger
Das Geschenk seines Ensembles an den Preisträger traf den Ton, mit dem Kunst auf eine unsinnige Kulturpolitik am besten reagiert: Mit Spott, aber auch der Veralberung einer huldvoll gefügten Theaterpreis-Begründungsprosa. Denn der Preisträger hätte nach eigenem Bekunden auf eine Auszeichnung gerne verzichtet, wenn es statt dessen eine Fortsetzung der Volksbühnenarbeit gäbe.
"Ich will zu der ganzen Geschichte da mit der Volksbühne ... und auch kein Grußwort an Herrn Müller, ich wüsste nicht mehr was ich da sagen soll, da ist ja nun etwas vorbei. Die ganzen Stücke, die natürlich nach wie vor ausverkauft sind, sind jetzt weg, in die Tonne getreten."
Zum eigentlichen Skandalon der Feier – eine Stadt preist einen Künstler, dessen wichtigste Wirkungsstätte sie ihm zugleich entzieht - hatten Thomas Oberender und der sich seit Wochen klug zurückhaltende Frank Castorf nicht Stellung bezogen. Aber Herbert Fritsch meinte zur neuen Leitung unter Chris Dercon und der öffentlichen Debatte der letzten Monate:
"Da kann man gespannt sein, ich bin da überhaupt nicht mehr böse. Die Stücke sind weg, das ist Theater, Vergänglichkeit. Puh, wenn man da jetzt traurig ist, und andere Leute etwas peinlich finden, dass wir traurig sind und vielleicht auch weinen müssen, wenn da andere Leute sagen, wir sind so peinlich, wir sind die Rentneravantgarde ... ich meine: Man muss mal 25 Jahre an diesem Haus gewesen sein, dann kann man das beurteilen."