Fragt man Deutschlands Bürger, was sie von Beamten halten, sind die Antworten außerordentlich positiv: Pflichtschuldig und verantwortungsbewusst sind die beiden Attribute, die sie Staatsdienern am häufigsten zuweisen. Da ist es kein Wunder, dass sich auch die Beamten in den Bundesministerien nicht so leicht aus der Ruhe bringen lassen – selbst dann nicht, wenn der Regierungswechsel wie im Moment mal etwas länger dauert. Kein Grund zur Sorge, lautet es allenthalben, die Geschäfte laufen weiter.
"Das bedeutet für ein Bundesministerium, dass die Arbeit weitergehen muss."
Sagt Ralf Kleindiek, beamteter Staatssekretär im noch von der SPD geführten Bundesfamilienministerium. Aber trotzdem bleibt mancher Knatsch nicht aus – vor allem, wenn man nicht einfach weiterarbeiten kann, wie man möchte. Das hat Ralf Kleindiek gerade miterlebt und mit ihm seine geschäftsführende Ministerin Katarina Barley. Die leitet seit der Bundestagswahl nicht nur das Familienministerium geschäftsführend, sondern das Arbeits- und Sozialministerium gleich mit.
Merkel verhinderte Barley-Reise
In der Funktion wollte sie in der vergangenen Woche zum ersten europäischen Sozialgipfel nach Göteborg fliegen, in Vertretung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, doch die sagte einfach Nein.
"Ich möchte nicht verhehlen, dass ich das auch bedauerlich gefunden habe. Ich war zur Vorbereitung dieses Sozialgipfels bei einem EU-Treffen in Göteborg. Und da habe ich schon gemerkt, dass auch die anderen europäischen Mitgliedsstaaten es sehr gut gefunden hätten, wenn Deutschland dort vertreten gewesen wäre. Das wäre aus meiner Sicht auch richtig gewesen, aber nun hat die Bundeskanzlerin das anders entschieden und dann ist das so."
So ist das dann, wenn man als politischer Beamter, der Kleindiek ist, seine Arbeit machen will, aber nicht darf. Die Ministerien der geschäftsführenden Bundesregierung können im Grunde so agieren, wie sie es vorher auch getan haben. Es gibt aber die Übereinkunft, dass über die ohnehin laufenden Projekte hinaus nicht zu viel Engagement gezeigt werden sollte, vor allem keines, das allzu politisch eingefärbt wäre.
"Es gibt die eingeübte Praxis, dass man keine Dinge tut, die eine neue Bundesregierung, die dann auch vom neu gewählten Bundestag legitimiert ist, nicht zurücknehmen könnte."
Und man sollte auch nichts tun, was zu viel Geld kostet. Denn finanziert wird in der Regel nur das, was durch den bestehenden Haushalt von 2017 gedeckt ist. 2018 gilt voraussichtlich eine vorläufige Haushaltsführung. Und die deckt nur ab, was rechtlich geboten und zwingend nötig ist. Ralf Kleindiek hat deswegen seinen Stab zusammengetrommelt, um zu hören, was seine Beamten als zwingend erachten. Grundsätzlich bedeutet die Regel zum Beispiel, dass er zwar weiter Kindergeld und BAfög auszahlen kann, dass große Vorhaben aber wie ein Familiengeld, eine Frauenquote oder Pläne für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erst einmal auf Eis liegen.
"Das sind Dinge, auch neue Ansätze, die ich da jetzt verfolgen würde, die zurückgestellt werden, bis es klar ist, wie das Haus geführt wird."
Für die einen Sparprogramm, für die anderen Stillstand
Für das Bundesfinanzministerium unter dem geschäftsführenden Ressortchef Peter Altmeier, CDU, ist das ein unverhofftes Sparprogramm, sagt Jens Spahn, parlamentarischer Staatssekretär in dem Ministerium.
"Das heißt natürlich auch, dass wir Geld sparen, weil keine zusätzlichen Ausgaben dazukommen. Aus Sicht eines Haushälters sind das keine schlechten Zeiten."
Aus Sicht vieler Ministerialbeamter bedeutet das allerdings auch Stillstand. Das sagen sie nicht gern offen, niemand will sich seine Zukunft verbauen. Aber hochrangige Mitarbeiter aus verschiedenen Ministerien berichten, dass sie ihre Zeit nun eher damit verbringen, verschiedene Personalrochaden durchzuspielen.
"Erst mal fragt sich natürlich jeder in einem Ministerium, das wird in allen Bundesministerien so sein, wie es weitergeht. Weil die Frage, welche Regierung, welche Inhalte, aber auch, welcher Minister denn dann die nächsten Jahre bestimmen, beschäftigt natürlich Leute, die auch mit Herzblut hier jeden Tag zur Arbeit kommen."
Und das betrifft natürlich auch die eigene Position. Wer politischer Beamter ist, also alle ab den Abteilungsleitern aufwärts, muss damit rechnen, unter einer neuen Führung den Platz räumen zu müssen – ein Staatssekretär wie Jens Spahn allen voran.
"Ich weiß ja gar nicht, ob ich noch da bin, wenn der nächste Minister kommt, weil mein Amt als parlamentarischer Staatssekretär sehr stark natürlich davon abhängt, wer hier möglicherweise Finanzminister wird. Was ich nur weiß, ist, dass wir hier alle voraussichtlich etwas länger sitzen als geplant, geschäftsführend."
Verzicht auf anstehende Beförderung
Um seine persönliche Zukunft muss Spahn sich allerdings nicht allzu viele Sorgen machen. Er sitzt im Bundestag, im CDU-Präsidium und wird als möglicher künftiger Minister gehandelt. Einige Beamte nutzen einen Trick, um der beruflichen Unsicherheit zu entgehen. Es habe die Runde gemacht, dass man sich bei einer anstehenden Beförderung zum politischen Beamten auch wegducken kann, wenn eine Bundestagswahl ansteht, berichtet Familienstaatssekretär Ralf Kleindiek. Wer nämlich normaler Beamter ist, also noch nicht Abteilungsleiter, sondern höchstens Unterabteilungsleiter, bleibt von einem politischen Wechsel verschont.
"Und nun kann man sich absichtlich, jedenfalls in manchen Ministerien ist das so, kann man sich absichtlich mit dieser niedrigeren Besoldung zufrieden geben, aber hat die Sicherheit, dass man dann nicht entlassen werden kann. Und das hat es hier auch gegeben, 2014, aber ich habe das geändert."
Wer bei ihm zu Höherem berufen werde, der habe sich dem gefälligst zu stellen, sagt Kleindiek.