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Berliner Wirtschaftsverbände wehren sich gegen Umweltzone

Zum Januar 2008 will Berlin ein Umweltzone zum Schutz vor Feinstaubbelastung einrichten. Wirtschaftsverbände laufen Sturm, halten die Pläne vor allem in Hinblick auf Touristen für unpraktikabel.

Von Marieke Degen |
    Am 31. Dezember werden wieder Scharen von Touristen unter dem Brandenburger Tor Silvester feiern. So weit, so normal. Und doch wird es in diesem Jahr etwas anders. Denn ab dem 1. Januar 2008 liegt das Brandenburger Tor mitten in der Berliner Umweltzone. Und jeder, der dort mit dem Auto oder Reisebus herumfahren will, braucht eine Plakette - Berliner genauso wie Touristen, die nur für drei Tage in die Stadt kommen:

    "Also die Gäste sind eigentlich informiert, es gibt ja immer noch die Möglichkeit, vor Ort die Plakette zu kaufen in ausgewiesenen Werkstätten, und es gibt noch die Ansprechpartner TÜV und Dekra, und im Übrigen hoffen wir darauf, dass am 1.1.2008 hier die Kontrollorgane nicht so hart durchgreifen werden nach der größten Silvesterparty in Berlin."

    Christian Tänzler von Berlin Tourismus Marketing nimmt es locker, doch die Wirtschaftsverbände laufen gegen die Umweltzone Sturm. Der Aufwand sei zu hoch, der Effekt für Mensch und Natur zu gering. Sie fordern großzügige Ausnahmeregelungen für Touristen und Gewerbe. Manfred Breitenkamp, Leiter der Abteilung Umweltpolitik beim Berliner Senat, hält dagegen:

    "Es geht hier wie immer, hier ist ein neues umweltpolitisches Instrument, das der Gesundheit der Menschen dient, und dann glaubt man, drei Monate vor Beginn mit einer Totalopposition das zu verhindern. Das wird nicht klappen."

    Die Feinstaubrichtlinie der Europäischen Union sitzt der Stadt im Nacken. Sie legt die Grenzwerte für Feinstaub fest, und dass diese Grenzwerte nur an 35 Tagen im Jahr überschritten werden dürfen, sonst drohen Klagen von Anwohnern oder der EU. Der Straßenverkehr ist durch Reifenabrieb und Dieselabgase für etwa ein Viertel des Feinstaubs verantwortlich. Mit Hilfe der Umweltzone soll er insgesamt um drei bis vier Prozent reduziert werden. Ab 2010 sogar bis zu 15 Prozent. Zwei Drittel aller Genzwertüberschreitungen wären damit vom Tisch, sagt Breitenkamp:

    "Wir haben seit Anfang 2004 mit dem ADAC, der IHK, der Handwerkskammer der Fuhrgewerbsinnung und, und, und, allen Akteuren, die Probleme durchgesprochen, und wir waren gemeinsam der Auffassung, bevor die Gerichte uns einzelne Straßen zumachen, machen wir etwas wie die Umweltzone, weil wir alle der Auffassung waren, dass das die verhältnismäßigere Maßnahme ist."

    Betroffen davon sind im ersten Schritt 2008 rund 90.000 Fahrzeuge allein aus Berlin, die meisten älter als zwölf Jahre. Viele Autos können nachträglich mit einem Rußpartikelfilter ausgestattet werden und weiterfahren. Die Verlierer seien die mittelständischen Betriebe, sagt Carsten Schulze, Geschäftsführer des Berliner Busunternehmens Haru-Reisen, insbesondere ab 2010, wenn nur noch Fahrzeuge der Schadstoffgruppe 4 in die Umweltzone fahren dürfen. Kleinere LKW und auch Reisebusse könnten nämlich nicht ohne Weiteres mit Rußpartikelfiltern nachgerüstet werden:

    "Wir haben von Seiten der Wirtschaftsverbände von Anfang an gesagt, dass die Umweltzone das falsche Mittel ist."

    Wie Touristen aus dem Ausland an die Umweltzonen-Plakette herankommen sollen, ist ebenfalls unklar. Nach derzeitigem Stand müssten sie sich den Aufkleber in einer deutschen Werkstatt besorgen. Das sei ihnen durchaus zuzumuten, sagt Manfred Breitenkamp:

    "Es muss ja nichts gemessen werden oder sonst was, also eine ASU-Werkstatt ist berechtigt, Plaketten zu verteilen, man muss nur den KfZ-Schein vorlegen, daraus erkennt man, um was für ein Fahrzeug es sich handelt und dann gibt es die Plakette."

    Außerdem wollten sich viele Hotels um die Plakette für ihre Gäste selbst kümmern. Machbar sei das aber nicht, sagt Hans-Jörg Schulze, ebenfalls Haru-Reisen:

    "Ein Italiener hat Fahrzeugpapiere, aus denen geht gar keine Schlüsselnummer hervor, aus der man erkennen könnte, ist das jetzt ein Fahrzeug, das umweltzonentauglich ist oder nicht?"

    Da sei Ärger vorprogrammiert. Schulze fordert deshalb eine generelle Ausnahme für Touristen. Am liebsten würden die Wirtschaftsverbände die ganze Umweltzone um ein paar Jahre verschieben. Dann, so das Argument, würden die Dreckschleudern unter den Fahrzeugen von selber aussterben. Davon hält Manfred Breitenkamp nichts:

    "Wir haben ein Problem mit Feinstaub in dieser Stadt, und dass wir die höchstemittierenden Fahrzeuge noch vier Jahre länger laufen lassen, das konterkariert das ganze Konzept. Stattdessen bekommen wir Schwierigkeiten, von Brüssel verklagt zu werden, weil wir die Grenzwerte nicht einhalten."

    Die Umweltzone ist beschlossene Sache. Nur über Ausnahmeregelungen wird zurzeit noch verhandelt.