Einige Haushalte in Berlin haben in den vergangenen Tagen Post erhalten, in der eine Mietsenkung angekündigt wird. Nach Schätzungen sind es 340.000 Wohnungen. Liegt die Miete 20 Prozent über einer bestimmten Obergrenze, muss gesenkt werden, so schreibt es der Mietendeckel vor. Dem folgen etwa die börsennotierten Konzerne Deutsche Wohnen und Vonovia – sie senken die Mieten jeweils für ein Drittel ihrer Wohnungen. Deutsche Wohnen rechnet dadurch allein in diesem Jahr mit neun Millionen Euro weniger Einnahmen. Bei Vonovia wird der Rückgang auf zehn Millionen Euro pro Jahr beziffert. Größter Vermieter in Berlin ist das Land selbst mit mehreren landeseigenen Wohnungsbauunternehmen: Diese senken die Mieten im Durchschnitt für jede zehnte Wohnung.
Wer bislang keine Post bekommen hat, sich aber sicher ist, dass eine Mietsenkung erfolgen müsste, dem empfiehlt Rainer Wild vom Berliner Mieterverein:
"Wer auf Nummer Sicher gehen will, der wird sich als erstes an die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen wenden, die haben eine extra Abteilung dafür eingerichtet, für den Fall, dass sich der Vermieter weigert, diese Senkung vorzunehmen. Dann wir die Senkung per Verwaltungsakt festgesetzt. Das heißt, der Staat wird tätig für Mieter, um zu einer Senkung zu kommen."
Die Wirtschaft weist auf negative Effekte hin
Allerdings: Ob die Senkung dauerhaft sein wird, das entscheidet sich erst im kommenden Jahr, wenn das Bundesverfassungsgericht über den Mietendeckel urteilt. Bis dahin gilt: Die Mieten in Berlin sinken erst einmal. Der Eigentümerverband Haus & Grund spricht von einer Belastung für kleine private Vermieterinnen und Vermieter - die sich nun etwa auf Einbußen bei der Alterssicherung einstellen müssten. Und auch für Wohnungssuchende hat der Deckel teils negative Effekte: Eine Auswertung des Immobilienportals Immobilienscout24 hat ergeben: Das Gesamtangebot an Mietwohnungen hat sich deutlich verringert – seit September 2019 um gut 40 Prozent. Und das habe nicht nur etwas mit der Coronapandemie zu tun, sagt Immobilienökonom Michael Voigtländer vom arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft in Köln:
"Die Vermieter sind nicht mehr wirklich bereit, zu den Konditionen zu vermieten, sie überlegen auch mehr zu verkaufen, das ist auch beobachtbar auf den Immobilienportalen - dass die Angebote am Eigentumsmarkt gestiegen sind. Sie versuchen also zu verkaufen oder sie halten die Wohnung frei für Freunde oder Familienangehörige, die sie bevorzugt in die Wohnung nehmen wollen. Das heißt, der Markt wird kleiner – und der Zugang zum Mietwohnungsmarkt wird gerade für sozial schwächere Haushalte schwieriger."
Einbruch beim Angebot von Mietwohnungen
Auch beim Berliner Mieterverein ist von einem immensen Einbruch bei den Mietwohnungs-Angeboten die Rede. Rainer Wild nennt noch weitere Gründe dafür: Zum einen werden Wohnungen seltener aufgegeben, weil man nicht absehen können, wie viel man für eine neue Wohnung tatsächlich zahlen müssen. Denn inzwischen werden zwei Mieten vereinbart. Für den Fall, dass der Mietendeckel verfassungswidrig ist, wird eine höhere Miete festgehalten. Ein weiterer Grund für das knappe Angebot: die hohe Sicherheit in den bestehenden Mietverhältnissen:
"Einfach deswegen, weil wir mit dem Mietendeckel einen Schutz vor Mieterhöhungen haben, d.h. Die Fluktuation ausziehender Mieter einfach gering ist. Modernisierungsbedingte Mietsteigerungen, die häufig zu einem Verlassen der Wohnung geführt haben, sind im Moment nicht mehr anzutreffen."
Es verschiebt sich also schon jetzt einiges auf dem Berliner Wohnungsmarkt. Wohnungen werden eher verkauft als vermietet – und es wird weniger Wohnraum frei. Eine Wohnungssuche in Berlin scheint damit noch schwieriger geworden zu sein, als sie es vielleicht ohnehin schon war.