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Berliner Zeitung
Neue Antworten?

Die neuen Verleger der "Berliner Zeitung" haben sich den Fragen von Jakob Augstein gestellt. Dabei wurde deutlich, dass das Ehepaar Friedrich zwar wenig von den Kategorien links - rechts hält. Doch unklar bleibt, wie die Zeitung nun ausgerichtet werden soll.

Von Claudia van Laak |
Ausgaben der "Berliner Zeitung" liegen aufgereiht auf einem Tisch.
Ausgaben der "Berliner Zeitung" (dpa/ Paul Zinken)
Die "Berliner Zeitung", sie ist die erste deutsche Tageszeitung, die nach dem Zweiten Weltkrieg erschien. Viel Tradition, die jetzt gehörig vom Ehepaar Friedrich durcheinander gewirbelt wird.
Disruption, dieser Eindruck bleibt zurück vom gestrigen Abend an der Volksbühne. Silke und Holger Friedrich stellen erst einmal alles in Frage – auch politische Kategorien wie rechts und links: "Weil das so ein Wertegefüge ist, das so herrlich starr ist. Wenn, dann haben wir wenigstens drei Dimensionen, in denen wir agieren: links - rechts, oben - unten und vielleicht noch vorne und hinten. Und vielleicht führen wir darüber die Diskussion, wo wir die 'Berliner Zeitung' einsortieren. Vorne oben."
Links und rechts sollen also nicht mehr gelten, eine andere Kategorie erstaunlicherweise schon: Ost und West. Die neuen Eigentümer sind in der DDR aufgewachsen, ihre Ostidentität betonen sie immer wieder. Moderator Jakob Augstein ist erstaunt: "Das ist interessant, dass Sie ihre Ostidentität und auch die Funktion der Zeitung für diesen Ost-West-Dialog ganz nach vorne gestellt haben. Was ja für einen Internet-Unternehmer nicht so ganz erwartbar ist."
Ein harmonisches Ehepaar
Holger Friedrich ist der Auffälligere der beiden: Glatze und langer Rauschebart, untenrum sockenfrei. Sie: dunkelgrüne schillernde Bluse. Er IT-Unternehmer, sie Geschäftsführerin einer Privatschule. Ein extrem harmonisch auftretendes Ehepaar. Der Versuch von Jakob Augstein, ein Keil zwischen die beiden zu treiben? Vergeblich.
Porträtfoto von Silke und Holger Friedrich, die nebeneinander vor einer bunt gestreiften Wand sitzen.
Das Ehepaar Silke und Holger Friedrich hat die Berliner Zeitung im November 2019 übernommen. (DuMont / Jens Roetzsch)
"Finden Sie, dass Ihr Mann seine Stasi-Verwicklungen früher und von alleine hätte veröffentlichen sollen?" - "Super Frage, danke schön. A: ist mein Mann damit sehr offen umgegangen in seinem professionellen und privaten Umfeld, insofern war das für viele gar keine Überraschung. Im Zusammenhang mit dem Kauf des Verlags ist es halt schwer. Guten Tag, ich bin Holger Friedrich, ich wollte nur mal sagen, dass…. Das funktioniert halt nicht und ich finde auch nicht, dass es notwendig ist."
Ständige Eigentümerwechsel
Beide zeichnet ein unbefangener, andere würden sagen naiver Blick auf die Medienwelt aus. Dass auch 30 Jahre nach dem Ende der DDR seine IM-Tätigkeit einen solchen Wirbel auslöst, das hätte er nicht gedacht, sagt Holger Friedrich.
"Es hätte ja auch sein können, dass es vielleicht heute wirklich keinen mehr interessiert." - "Nein, nein, nein, Herr Friedrich, das hätte nicht sein können, wenn Sie die 'Berliner Zeitung' übernehmen."
Die Auflage der "Berliner Zeitung" ist in den letzten 12 Jahren um 60 Prozent eingebrochen. Seit der Wiedervereinigung ist sie durch viele Hände gegangen: Gruner & Jahr, Holtzbrinck, der britische Medienmanager Montgomery, Dumont. Bedingt durch den häufigen Eigentümerwechsel drehte sich auch das Chefredakteurs-Karussell immer schneller und schneller: Alle drei bis vier Jahre Neue an der Spitze von "Berliner Zeitung" und dem Boulevard-Blatt "Berliner Kurier". Erst vor zehn Tagen verließen dann Jochen Arntz und Elmar Jehn den Verlag. Freiwillig oder unfreiwillig – dazu schweigen sich beide Seiten aus.
Unruhe in der Belegschaft
Jakob Augstein fragt nach: "Was ist denn mit den beiden Chefredakteuren. Im November fanden Sie die noch ganz toll, drei Monate später nicht mehr. Sie hatten gesagt: das sind coole Typen, sehr kultiviert, ausgleichende Charaktere, wir wären nicht gut beraten, wenn wir sie in Frage stellen würden. Und dann?" - "Stimmt auch noch nach wie vor, sie sind immer noch coole Typen." - "Aber Sie haben sie trotzdem in Frage gestellt. Warum denn?" - "Weil wir uns auf den Weg begeben haben, die 'Berliner Zeitung' weiterzuentwickeln."
Da ist sie wieder, die Disruption. Die Chefredakteure sind weg, auch einige Redakteurinnen und Redakteure haben den Verlag verlassen. In der Belegschaft herrscht große Unruhe. Doch was die Neuverleger wirklich vorhaben, bleibt großen Teils im Dunkeln. Sie investieren stark in Technologie, haben in kürzester Zeit einen neuen Internet-Auftritt hingelegt. Doch die bundespolitische Zulieferung durch das Redaktionsnetzwerk Deutschland ist eingestellt, experimentiert wird mit einer automatisierten Auswahl von Nachrichtenquellen. 800 Quellen gleichzeitig könne die Software auswerten, sagt Holger Friedrich stolz.
Individuelle Angebote für die Leser
Am Ende des Abends entlockt Jakob Augstein den Verlegern doch noch eine Aussage. Das Konzept: es soll nicht mehr DIE "Berliner Zeitung" geben, sondern jede Nutzergruppe erhält eine eigene Ausgabe – Sportfans, Kulturinteressierte, Politikbegeisterte.
"Das wird das Angebot sein, dass man also zur Echtzeit möglichst viele kontextbezogene Informationen zur Verfügung stellt und gleichzeitig das Beste davon entsprechend für die Zielgruppe dann zugeschnitten ausdruckt und zur Verfügung gestellt." - "Ich entnehme daraus, dass Sie Zeitung individualisieren wollen."
"Ja. Print bleibt, sonst hätten wir die Druckerei nicht mitgekauft", sagen die neuen Eigentümer. Doch lieben die Friedrichs wirklich das Papierprodukt? Zweifel bleiben. Lagen doch gestern Abend auf den Stühlen im Grünen Salon der Volksbühne zwar viele Exemplare der Wochenzeitung "Der Freitag" – Augstein ist dort Chefredakteur – aber keine einzige "Berliner Zeitung".