So richtig gefreut hatte sich niemand über die Nachricht, dass Tim Renner auf Andre Schmitz als Kulturstaatssekretär folgen würde. Vielleicht saß auch der Schock über den unrühmlichen Abgang von Schmitz manchen noch in den Knochen. Denn das ausgerechnet der stets korrekt gekleidete Gute-Laune-Mann aus der Kulturverwaltung ein Steuerhinterzieher der ganz alltäglichen Sorte war - tempi passati. Renner stellte sich vor und gab unumwunden zu, dass er von seinem neuen Amt wenig verstehe, eigentlich gar nichts. Er macht halt gerne mal was Anderes. Als Vorwärtsstrategie kann man diese Ehrlichkeit einordnen oder als smarte Camouflage des anything goes. Geniale Dilettanten waren und sind in Berlin beliebt. Wowereit-Kenner winkten müde ab, wieder so ein Husarenstreich unseres Regierenden, der zugleich Kultursenator ist.
Nein, einer hat sich gefreut, Jochen Sandig, umtriebiger Kulturmanager, Mann der Choreografin Sasha Waltz und wortreicher Vertreter für die Interessen der sogenannten Off-Kultur. Er hofft auf neue kulturpolitische Taten in Sachen Freie Szene. Wenn er sich da mal nicht irrt. Welche Chancen hat ein Nobody im Berliner Kulturbetrieb, der eine millionenschwere Opern- Theater- Konzert und Museumsszene verwalten und vor allen Dingen zufrieden stellen muss? Häuser, die er nicht von innen kennt? Ein Staatssekretär, der keine Verwaltungserfahrung besitzt und an bereits beschlossene Haushaltsetats gebunden ist? Der Mann war Popdealer und kein Freund von Subventionen. Der lernt jetzt Oper kennen. Das ist kulturelle Bildung auf höchstem Niveau. Learning by doing, heißt die Parole. Schlägt sich das eigentlich in der Besoldung nieder?
Auf Renner warten wichtige Entscheidungen
Tim Renner nimmt das alles sportlich. Sein Anzug wirkt wie ein Konfirmationsanzug, aus dem er rausgewachsen ist. Er steht auf das schmale Burschenimage, das heute in bestimmten Kreisen sehr angesagt ist. Renner ist um keine Antwort verlegen und wirkt freundlich - medial ist er bestens geschult. Auf Facebook zeigt er seine Begeisterung für Fußball und was ihm noch so alles über den Weg läuft. Soziales Schmusen gehört heute für einen, der dafür sorgen will, dass die unangepasste Szene nicht aus der Stadt verdrängt wird, der einfach cool unterwegs ist, natürlich dazu. Unterwegs sein reicht aber nicht.
Auf Tim Renner warten eine Menge wichtiger Entscheidungen: die Zukunft der Volksbühne, auch Castorf geht mal in Rente. Das gilt auch für Peymann und das BE. Die Staatsoper ist noch lange eine Baustelle und für die Zentral- und Landesbibliothek muss endlich ein Neubau her. Und und... Da müssen Geld, Organisation und Personalentscheidungen stimmen. Ob Tim Renner dafür der richtige Mann ist? Das muss er noch beweisen. Bisher vermittelt er eher den Eindruck im kulturpolitischen Ring in der Leichtgewichtsklasse zu kämpfen. Die Auseinandersetzungen mit den Platzhirschen jeglicher Couleur stehen ihm noch bevor. Schon so ein harmloser Satz: Die Grenzen zwischen E und U müssen durchlässiger werden, kann verdammt harte Bandagen erfordern. Und ob auf Wowi da Verlass ist? Der Regierende ist launisch und unberechenbar.
Aber wie sagte Tim Renner in einem Zeitungsinterview so nett: "Besser man überhebt sich als das man es gar nicht versucht." Was er versuchen wird? Visionen hat er im Sinn, Berlin 2030 – Gedankenspiele. Warten wir auf die ersten Entscheidungen mit Folgen und genießen bis dahin seine bisweilen schräge Art, die Kulturszene zu belüften. Renner ist Berliner, das darf man nicht vergessen.