Nach zweitägiger Sitzung hat das Preisgericht zwei Sieger-Entwürfe für Berlins neue Zentral- und Landebibliothek gekürt. Welcher von ihnen gebaut werden soll, wird bis zum Frühling entschieden. Der eine Sieger-Entwurf stammt vom Stuttgarter Architekturbüro Kohlmayer Oberst: Ein flacher Quader, nur 30 Meter hoch, aber "60 Meter lang. Fünf Geschosse; die ersten drei verglast mit Blick auf das Tempelhofer Feld. Der Rest Beton mit viel Licht von oben. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher:
"Das ist so etwas wie ein großes Schiff, das sich neben das Flughafengebäude in die Landschaft legt. Das Erdgeschoss lädt ein, man wird unter dieses Dach gezogen. Das ist für mich ein Haus fürs Volk."
Sein Sieger-Entwurf verkörpere mehr als eine Bibliothek, sagt der Stuttgarter Architekt Jens Oberst:
"Der entscheidende Unterschied ist das Thema der Öffentlichkeit. Wir haben viel mehr Flächen, Ideen und Architekturformen entwickelt, um der Öffentlichkeit ein Angebot zu machen. Wir haben uns über die Bibliothek hinaus entwickelt: Wie bekomme ich die Leute an diesen Ort, in dieses Haus hinein und wie bekomme ich sie immer wieder in dieses Haus hinein?"
Mehr als eine Bibliothek - von dieser Idee ist auch der zweite Sieger-Entwurf inspiriert, allerdings haben die Züricher Architekten Miebach und Oberholzer dieser Idee eine völlig andere Form gegeben: Neun Stockwerke hoch überragt ihre Bibliothek die Umgebung des ehemaligen Flughafens. Zehn massive Stützen, in denen die komplette Haustechnik verschwindet, tragen die neun Ebenen aus Beton mit Glasfassade. Journalisten auf der Pressekonferenz fühlten sich an ein Parkhaus erinnert. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher spricht lieber von einem "Werkstatt-Gebäude" aus Beton und Glas, das in Besitz genommen werden wolle:
"Das Gebäude ist ein gläserner Kristall, wenn man ihn von außen anschaut. Das Faszinierende an dem Gebäude ist, dass es einerseits ein ganz offenes, von Beton und Tragstruktur geprägtes Gebäude ist, und andererseits eine Eleganz hat wie die Philharmonie von Hans Scharoun."
Die Jury-Vorsitzende Rórunn Ragnarsdóttir, Architektin aus Stuttgart, lobt beide Gewinner:
"Sie haben beide Erdgeschoss-Ebenen, die komplett zugänglich sind von allen Seiten. Riesige Flächen, die eine einladende Geste haben. Das Ziel ist ja, Leute in diese Bibliothek zu bekommen, die da sonst nicht hingehen: Junge, ausländische Mitbürger, das soll ein Ort der Integration sein."
So verschieden die Form - beide Entwürfe skizzieren die Bibliothek als eine Art Co-Working-Space, einen jener Kollaborationsräume, die in deutschen Großstädten entstehen, wo sich meist digital vernetzte Menschen physisch treffen, arbeiten, lesen und essen. Bis zum Frühling soll jetzt über beide Entwürfe verhandelt, dann einer auserkoren werden: Es geht noch um statische Fragen, auch die Kosten von 270 Millionen Euro sollen eingehalten werden. Das Geld ist in Berlins Finanzplanung eingestellt. Der Spatenstich ist für 2016 geplant.
"Und mit dem Abschluss dieses Wettbewerbs ist das auch sehr, sehr realistisch geworden. Ich freue mich sehr."
Berlins Kulturstaatssekretär Andre Schmitz. Doch viel Fragen sind noch offen. Größtes Hindernis könnte ein laufendes Volksbegehren sein. Das will verhindern, dass das Gelände des ehemaligen Flughafens Tempelhofe überhaupt bebaut wird. Wenn die Berliner das beschließen, votieren sie gegen die Vision einer Bibliothek für die digitalisierte Großstadt.