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Berlins Verwaltung stoppt Mauer-Projekt
Niemand hat mehr die Absicht ...

Das Kunstprojekt DAU war höchst umstritten: 29 Jahre nach ihrem Fall sollte in Berlin ein ganzes Areal noch einmal eingemauert werden. DDR-Bürgerrechtler, Kulturschaffende, aber auch Anwohner lehnten das ab. Jetzt stoppten die Berliner Behörden das Vorhaben.

Von Claudia van Laak |
    Das Bild eines Berliner Wohnblocks und einer Mauer, die der Regisseur Ilja Khrzhanowskij vorrübergehend wieder aufbauen will.
    So sähe es aus, wenn der Regisseur Ilja Khrzhanowskij vorrübergehend die Mauer wieder aufbaut (imago stock&people)
    Keine neue Berliner Mauer, die erst aufgebaut und dann am 9. November abgerissen wird, keine Filme von Ilya Khrzhanovsky, kein Banksy und keine Marina Abramovic. Die Besucherinnen und Besucher werden nicht ihr Handy abgeben und dann mit einem Visum in eine stalinistische Welt eintauchen. Das DAU-Projekt in der Hauptstadt ist an der Verwaltung gescheitert. Berlins Verkehrssenatorin Regine Günther verkündete das Aus:
    "Ich kann Ihnen jetzt sagen, dass die Veranstalter des DAU-Projektes uns keine Unterlagen vorgelegt haben, das uns ermöglicht, das Projekt zu genehmigen. Und das liegt auch viel am Sicherheitskonzept."
    Die nötigen Unterlagen seien zu spät und unvollständig eingegangen, ein solches Großprojekt brauche einen viel längeren Vorlauf. Doch die Veranstalter rund um den russischen Regisseur Ilya Khrzhanovsky bestanden lange auf Geheimhaltung, das Projekt, es war bis zum Schluss geheimnisumwittert, Einzelheiten sollten nicht zu früh bekannt werden.
    "Von der Dimension spielt es in der Liga Berlin Marathon, Fanmeile, Kirchentag. Das sind eigentlich Routineveranstaltungen, aber die haben einen Vorlauf von einem Jahr."
    Weiteres Großprojekt in Berlin nicht zu stemmen
    Dazu kommt: die Berliner Verwaltung, nicht nur Polizei und Feuerwehr, arbeitet angesichts vieler Großveranstaltungen am Limit. Berlin Marathon, Erdogan-Besuch, der Tag der Deutschen Einheit mit einer Million Besuchern. Ein weiteres Großprojekt am Boulevard Unter den Linden wäre mit der derzeitigen Personalausstattung nicht zu stemmen. "Wir wollen keine zweite Love-Parade-Katastrophe", hatte der Bürgermeister des Bezirks Mitte vor zwei Wochen gesagt. Und damit bereits angedeutet, dass das Projekt in dieser Form nicht umsetzbar sei.
    Die erste Reaktion der Berliner Festspiele – unter ihrem Dach sollte das Dau-Projekt stattfinden: Unverständnis. Man habe nur eine E-Mail als Absage bekommen, werde sich weiterhin um eine Genehmigung bemühen. Die Reaktion zeigt auch, dass Künstler und Verwaltung keine gemeinsame Sprache hatten. Die Kommunikation: auf allen Ebenen gescheitert. Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich zu Wort gemeldet – sie bedauert die Absage sehr:
    "Für Sicherheitsbedenken muss man Verständnis haben, für eine lebendige Auseinandersetzung über Kunstwerke ebenfalls. Die Debatte im Vorfeld dieses Kunst-Experiments trug allerdings bedenklich hitzige und von Vorurteilen geprägte Züge. Ich hätte mir mehr Offenheit gewünscht, gerade auch gegenüber den beteiligten Künstlerinnen und Künstlern aus aller Welt."
    Frühere DDR-Bürgerrechtler forderten Verbot
    Hatten doch viele Kritiker reflexhaft reagiert, ohne sich detailliert mit dem Kunstprojekt und den Ideen Khrzhanovskys auseinanderzusetzen. Frühere DDR-Bürgerrechtler wie Konrad Weiß hatten sogar ein explizites Verbot des Projekts gefordert. In der Mitte Berlins solle eine No-Go-Area geschaffen werden, dort solle dann auf Wunsch der russischen Initiatoren nicht mehr das Grundgesetz gelten, monierte der Bürgerrechtler.
    Die heutige Absage ist keine grundsätzliche. Sollten die Veranstalter an ihrem Projekt festhalten, könnte es möglicherweise im nächsten Jahr realisiert werden. Da feiert Berlin den 30. Jahrestag des Mauerfalls.